Nach einem Herzinfarkt mit Stentimplantation erhalten Patientinnen und Patienten üblicherweise eine sogenannte duale Plättchenhemmung (DAPT). Das ist eine Kombination aus Acetylsalicylsäure (ASS) und einem sogenannten P2Y12-Hemmer (Wirkstoffe: Ticagrelor, Prasugrel oder Clopidogrel). Diese Behandlung wird meist über sechs bis zwölf Monate empfohlen mit dem Ziel, der Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) im Stent und erneuten Herzinfarkten vorzubeugen. Immer wieder führen Wissenschaftler dabei die Diskussion über die optimale Länge dieser Behandlung, da mit Gabe von zwei Wirkstoffen, die die Blutplättchenfunktion hemmen, auch das Risiko für unerwünschte Blutungen zunimmt.
Neue Studien zur optimalen Therapiedauer
Die Daten einer neuen Studie sprechen nun für eine Verkürzung der DAPT. In der TARGET-FIRST-Studie wurden fast 2.000 Patientinnen und Patienten untersucht, die nach einem Herzinfarkt alle mit modernen (Medikamenten freisetzenden) Stents behandelt worden waren. Ein Teil erhielt nur einen Monat lang DAPT, danach eine Monotherapie mit einem P2Y12-Hemmer, meist Ticagrelor. Die Vergleichsgruppe nahm ASS und den P2Y12-Hemmer für zwölf Monate weiter ein.
Das Ergebnis:
- Nach einem Jahr traten gleich viele schwerwiegende Ereignisse (Tod, erneuter Herzinfarkt, Schlaganfall, Stentthrombose oder schwere Blutung) auf (2,1 % versus 2,2 %).
- Gleichzeitig kam es bei der kürzeren Therapie deutlich seltener zu Blutungen (2,6 % versus 5,6 %).
Zwar sprechen diese Daten für eine kürzere Therapiedauer als bislang üblich. Eine zu kurze Behandlung kann allerdings auch gefährlich sein, wie eine weitere aktuelle Studie zeigt, die im August beim Kongress der Europäischen Kardiologiegesellschaft (ESC) vorgestellt wurde. In der NEO-MINDSET-Studie aus Brasilien erhielten über 3.400 Patientinnen und Patienten mit akutem Koronarsyndrom nur etwa vier Tage lang eine duale Plättchenhemmer-Therapie. Dann wurde ASS abgesetzt. Doch das führte zu mehr kardiovaskulären Komplikationen: Sieben Prozent der nur sehr kurz Behandelten erlitten einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod im Vergleich zu 5,5 Prozent bei zwölfmonatiger DAPT.
Fazit: Welche Behandlungsdauer ist optimal?
Die optimale Behandlungsdauer nach Stenting mit und ohne vorausgehendem Herzinfarkt muss individuell festgelegt werden muss – je nach Risiko für Blutungen und Gefäßverschlüsse. Für stabile KHK-Patienten kann eine kürzere Behandlungsdauer eine Option sein. Ohne ärztliche Rücksprache sollte die DAPT jedoch niemals eigenständig verkürzt oder beendet werden.
Sonderfall Stent und Gerinnungshemmer-Therapie
Eine weitere aktuelle Studie aus Frankreich bestätige darüber hinaus, dass Patienten, die einen Stent erhalten, in der langfristigen Therapie ihrer koronaren Herzkrankheit (KHK), kein ASS erhalten sollten, wenn sie bereits mit einem Gerinnungshemmer behandelt werden. An der AQUATIC-Studie hatten Hochrisiko-Patienten teilgenommen, die wegen chronischer KHK oder eines Herzinfarktes einen Stent erhalten hatten. Sie wurden anschließend (nach sechs Monaten) alle mit einem oralen Antikoagulanz (NOAK) weiterbehandelt, meist aufgrund von Vorhofflimmern. Zusätzlich erhielt jeweils eine Hälfte zusätzliche ASS oder ein Scheinmedikament (Placebo). Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da sich unter der dualen Therapie das Risiko für schwere Blutungen verstärkte. Und auch ein Nutzen für die Herzgesundheit ließ sich nicht feststellen.
- Early Withdrawal of Aspirin after PCI in Acute Coronary Syndromes, NEJM, August 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2507980
- Early Discontinuation of Aspirin after PCI in Low-Risk Acute Myocardial Infarction;NEJM,August 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2508808
- Aspirin in Patients with Chronic Coronary Syndrome Receiving Oral Anticoagulation,NEJM, August 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2507532
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.