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Gefährliches Übergewicht - auch auf die Fettverteilung achten

Nicht nur Kilos zählen: So erkennen Sie, was ein gesundes Gewicht für Ihr Herz bedeutet.

Apfel mit dem eingeritzten Wort „BMI“ und einem Maßband, umgeben von Früchten – Symbol für Gewichtskontrolle und gesunde Ernährung.
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Nicht allein die Kilogramm auf der Waage zeigen an, ob man aus der Form gerät und das Herzrisiko erhöht ist. Wir geben Ihnen in diesem Beitrag eine Orientierung, worauf es bei einem gesunden Gewicht ankommt.

Was ist der Body-Mass-Index (BMI)?

Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein Richtwert, der das Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergröße angibt und zur Abschätzung des Körperfettanteils verwendet wird. Erfunden hat ihn der französischen Statistiker Adolphe Quetelet (1796-1874). Damals noch unter dem Begriff Quetelet-Index. Sein Ziel war es damals, den „mittleren Menschen“ als eine Art Idealtypus zu definieren.

Auch wenn statistische Werte für Bevölkerungsgruppen von Bedeutung sind, bleibt jeder Mensch einzigartig – sowohl in seiner körperlichen Statur als auch in seiner Lebensweise. Seit der Wiederentdeckung des Quetelet-Index und seiner Umbenennung in „BMI“ Anfang der 1970er-Jahre wird der Index daher immer wieder kritisch betrachtet, insbesondere als Indikator für Übergewicht und Adipositas. Trotzdem gilt er nach wie vor als gängiges Maß, das in Ernährungswissenschaft, Sportmedizin und ärztlicher Beratung häufig Anwendung findet.

Wie wird der BMI berechnet?

Der BMI wird berechnet, indem das Körpergewicht (kg) dividiert wird durch die Körpergröße in Metern (m) zum Quadrat (kg/m2). Kommt ein Wert zwischen 18,5 und 24,9 kg/m2 heraus, gilt der Mensch als normalgewichtig. Übergewicht fängt bei 25 kg/m2 an, Adipositas (starkes Übergewicht) Grad I bei 30, Grad II bei 35 und Grad III bei über 40 kg/m2

Warum der BMI-Wert in die Irre führen kann

Der BMI ist einfach und einprägsam zu berechnen – doch leider hat diese Berechnung auch Schwächen, insbesondere was leichtes bis moderates Übergewicht angeht.

Ein Beispiel: Wenn ein Gewichtheber bei einer Körpergröße von 1,80 m volle 100 kg wiegt, ergibt das einen BMI von 30,9 kg/m2 - rein rechnerisch im Bereich der Adipositas. Ist dieser Mensch übergewichtig, gar adipös? Nein. Denn ein großer Teil seines Gewichts stammt von der ausgeprägten Muskelmasse, während der Körperfettanteil – trotz des hohen Körpergewichts – oft im gesunden Bereich liegt (10-20 % bei Männern, unter 30% bei Frauen). 

Das Problem: Der Body-Mass-Index (BMI) berücksichtigt nur die Parameter Körpergröße und Körpergewicht. Wie viel davon Fettmasse ist, wie viel davon Muskelmasse – darüber verrät der Index nichts. Und auch nicht darüber, wo das Fett sitzt. Dabei macht es für die Gesundheit einen entscheidenden Unterschied, wo das Fett gespeichert ist.

Zudem verteilt sich Fett im Körper von Frauen meist anders als bei Männern. Auch das kann medizinische Bedeutung haben – der BMI hilft dabei jedoch nicht weiter. Das gilt ebenso für die Schwangerschaft: Übergewicht bei werdenden Müttern ist zunehmendes Gesundheitsproblem in vielen Ländern, den BMI bei einer schwangeren Frau zu bestimmen, ist aber nicht hilfreich.

Und auch das Alter wird beim BMI nicht berücksichtigt: Für junge Erwachsene gelten die gleichen Einteilungen wie für Hochbetagte. US-Daten legen zum Beispiel nahe, dass für Menschen über 65 Jahre auch ein erhöhter BMI (leichtes Übergewicht) gesundheitlich noch okay sein kann. Und ein “normaler” BMI von 20 nutzt einem alten Menschen wenig, wenn die Muskeln fürs Treppensteigen fehlen.

Das (Über-)Gewicht an sich muss also nicht unbedingt gesundheitsschädlich sein, wenngleich die Gelenke und Wirbelsäule auf Dauer keine übermäßige Last tolerieren. Es ist das Zuviel an viszeralem Fett, das Stoffwechselstörungen begünstigt und das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und einige Krebsarten auftreten.

Was Übergewicht wirklich gefährlich macht

Entscheidend ist nicht das reine Körpergewicht, sondern wo und welche Art von Fett im Körper gespeichert ist. Gefährlich ist vor allem viszerales Fett (viscera, lat.: zu den Eingeweiden gehörend) – auch Bauchfett genannt. Es liegt tief im Bauchraum, umgibt die inneren Organe und dient als Energiespeicher. Nimmt es überhand, führt es nicht nur zu einem sichtbaren Bauch, sondern erhöht auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und sogar bestimmte Krebsarten. Auch bei normalem Körpergewicht kann ein hoher Anteil an viszeralem Fett bestehen – und damit ein erhöhtes Gesundheitsrisiko.

Fett an Hüften, Oberschenkeln oder Gesäß ist hingegen weitaus weniger gefährlich. Langfristig können zwar zu viele Kilos an Körpergewicht – also das “Über”-Gewicht – Gelenke und Wirbelsäule belasten, doch für den Schaden an Herz, Stoffwechsel und Blutgefäßen ist vor allem das zuviel an Bauchfett entscheidend.

Ergänzend zum BMI: Auch auf die Taille kommt es an

In klinischen Studien werden außer dem BMI längst auch der Taillenumfang und das Taille-Hüfte und/oder das Taille-Größe-Verhältnis bestimmt. Für den persönlichen Gewichts-Check ist also außer Waage und Taschenrechner auch ein Maßband empfehlenswert zum Abschätzen des viszeralen Fetts. 

Der Bauchumfang ist ein gutes Maß für das viszerale Fett und korreliert gut mit der Stoffwechsel- und Herzkreislauf-Gesundheit. Für Frauen gilt ein Bauchumfang von unter 80 cm als gesund, ab 88 cm ist das Herzkreislauf-Risiko stark erhöht. Bei Männern ist ein Bauchumfang von unter 94 Zentimetern normal, kritisch wird es über 102 cm. Gemessen werden sollte im Stehen auf mittlerer Höhe zwischen unterem Rippenrand und Beckenkamm.

Der Taillenumfang wird gemessen wie oben beschrieben, der Hüftumfang an der breitesten Stelle des Gesäßes. Der Quotient sollte bei Frauen bei maximal 0,8 liegen, bei Männern maximal 0,9. Der Wert zeigt gut an, wie das Körperfett verteilt ist: eher am Bauch (Apfeltyp – ungünstig!), eher an Hüften, Gesäß und Oberschenkeln (Birnentyp – vergleichsweise geringes Herz-Kreislauf-Risiko). 

Der Bauchumfang sollte weniger als die Hälfte der Körpergröße betragen. Dividiert man also Größe durch Taille, ergibt sich ein Quotient von optimalerweise unter 0,5. Eine aktuelle schwedische Untersuchung bestätigt, dass ein Wert von über 0,5 mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Herzinsuffizienz, verbunden ist.

Warum der BMI noch gebraucht wird 

Der Body-Mass-Index bleibt wichtig, weil er ein gut standardisiertes Maß darstellt. Seit Jahrzehnten liefert er wertvolle wissenschaftliche Daten und ist aufgrund seiner einfachen Berechnung ein bewährtes Instrument. Besonders zur schnellen Einschätzung der Herz-Kreislauf- und Stoffwechselgesundheit eignet er sich als Screening-Verfahren und für eine erste klinische Beurteilung.

Allerdings sollten auffällige Extremwerte stets genauer überprüft werden. Eine umfassende körperliche Untersuchung ist unerlässlich, um zusätzliche gesundheitliche Faktoren zu berücksichtigen und eine individuell passende Behandlung einzuleiten

Fazit 

Ein gesunder Lebensstil und körperliche Gesundheit lassen sich nicht allein am Körpergewicht und dem BMI festmachen. Der Index kann jedoch eine erste Orientierung geben. Durch die weitere Messung von Bauchumfang, Taille-Größe- sowie Taille-Hüfte-Verhältnis wird das gefährliche viszerale Fett besser erfasst. Auch diese Werte sind leicht zu bestimmen. Für genauere Aussagen zu Ihrer Herz-Kreislauf-Gesundheit und möglichen Gewichtsproblemen gilt allerdings: Lassen Sie sich beim Haus- oder Facharzt untersuchen und beraten. Denn das Gewicht sollte stets auch im Zusammenhang mit dem Alter, eventuell bereits vorhandenen anderen Herzrisiken und Erkrankungen – und der gewünschten Lebensqualität – beurteilt werden. 

Infobox

Fett ist lebensnotwendig: Die Membranen der Körperzellen bestehen aus Fetten. Ein Gramm Nahrungsfett liefert doppelt so viel Energie wie Eiweiß oder Kohlenhydrate. Ohne Fett kann der Körper die lebenswichtigen Vitamine A, D, E und K nicht verwerten. Fett polstert und schützt unsere inneren Organe, Unterhautfett schützt vor Kälte, trägt also dazu bei, unsere konstante Körperkerntemperatur von im Mittel 36,6 bis 37°C aufrechtzuerhalten. Fett ist auch ein Energiespeicher und eine evolutionär angelegte Reserve für Hungerzeiten. Und: Fettgewebe produziert wichtige Hormone wie Östrogen und Leptin. 

Es werden verschiedene Arten von Körperfett unterschieden:

  • Weißes Fettgewebe: Kommt am häufigsten im Körper vor, dient der Energiespeicherung, Schutz der Organe, Isolierung gegen Kälte. Es befindet sich unter der Haut (subkutanes Fett) und um die inneren Organe heraum (viszerales Fett).
  • Braunes Fettgewebe: Dient vor allem der Wärmeerzeugung, findet sich bei Neugeborenen und in kleinen Mengen bei Erwachsenen.
  • Beiges Fettgewebe: Ist eine Zwischenform zwischen weißem und braunem Fett und trägt zur Kalorienverbrennung bei.

Ein zu hoher Anteil von weißem Fettgewebe im Körper schadet der Gesundheit in vielerlei Hinsicht:

Entzündung: Es werden entzündungsfördernde Botenstoffe produziert, die Blutgefäße und Organe auf Dauer schädigen können und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.

Hormone: Fettgewebe produziert Hormone und reguliert damit auch den Fett- und Zuckerstoffwechsel. Doch diese Hormonregulation gerät bei zu viel viszeralem Fett durcheinander, Körperzellen werden gegen das Hormon Insulin resistent, Nahrung kann nicht mehr so gut verarbeitet und Energie daraus gewonnen werden. Der Blutzucker steigt und es kann ein Diabetes mellitus (Typ 2) entstehen. Auch der Fettstoffwechsel wird gestört, das Entstehen von Bluthochdruck wird begünstigt.

Gewichtsbelastung: Übergewicht und Adipositas belasten Gelenke und Wirbelsäule, führen vorzeitig zu deren Abnutzung (Arthrose) und fördern Gelenkentzündungen.

Experte

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen
Bild von Prof. Dr. med. Herbert Löllgen

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