Energy-Drinks sind besonders bei jüngeren Menschen extrem beliebt. Im Jahr 2023 hat allein der Marktführer „Red Bull“ nach eigenen Angaben mehr als 12 Milliarden Dosen weltweit verkauft. Rund 60% der Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren in Deutschland konsumieren Energy-Drinks, 37% kombinieren diese mit Alkohol. 17% geben an, manchmal mehr als einen Liter davon bei einer passenden Gelegenheit zu trinken. Wenngleich die Hauptzielgruppe für Energydrinks Jugendliche und junge Erwachsene sind, so greifen auch Konsumenten anderer Altersklassen immer wieder gerne nach den bunten Dosen.
Studien: Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck durch den Konsum von Energy-Drinks
Inzwischen mehren sich jedoch Stimmen und wissenschaftliche Daten, die vor möglichen Gesundheitsschäden warnen. Es gibt Berichte von schweren Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod nach dem (übermäßigen) Konsum solcher Drinks. Studien zeigen, dass schon nach dem Konsum einer Dose eines Energy-Drinks der Blutdruck steigt und sich der Herzrhythmus verändern kann.
Energy-Drinks sind nicht nur sehr zuckerreich, sie enthalten vor allem Koffein und verschiedene andere Stimulanzien. Dazu gehören Guarana, das ebenfalls eine koffein-ähnliche Wirkung hat, Taurin, ein Nerven- und Muskelstimulans, oder Ginseng-Extrakte. Für Koffein sind Wirkungen auf Herz-Kreislauf- und Nervensystem belegt. Es gibt aber Hinweise, dass die anderen Inhaltsstoffe dessen Wirkungen noch in ungesundem Maß verstärken.
Koffein – die unbedenkliche Menge wird oft überschritten
Eine 250-ml-Dose eines Energy-Drinks enthält 80 mg Koffein, das ist etwa das Dreifache des Koffeingehalts einer gleich großen Dose eines Cola-Getränks. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Limits festgelegt, welche Menge Koffein pro Tag für Kinder und Jugendliche unbedenklich ist: Die Grenze liegt bei 3 mg Koffein pro kg Körpergewicht.
Das heißt aber auch: Ein Teenager mit 50 kg Körpergewicht überschreitet bereits mit 0,5 Liter eines Energy-Drinks (entspricht 160 mg Koffein) dieses Limit. Für gesunde Erwachsene rät die EFSA, nicht mehr als 200 mg Koffein als Einzeldosis und nicht mehr als 400 mg über den Tag verteilt zu sich zu nehmen.
Ungesunder Mix: Es ist nicht das Koffein allein
Zuviel Koffein kann Herzrasen, Schlaflosigkeit und Magen-Darm-Beschwerden verursachen. Der Blutdruck wird – zumindest kurzzeitig erhöht – und das Auftreten von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern wird begünstigt. Doch es scheint nicht nur das Koffein allein zu sein: In einer Studie mit gesunden Erwachsenen ließ ein knapper Liter eines Energy-Drinks deren Blutdruck stärker steigen und hatte mehr Einfluss auf ihren Herzrhythmus als die entsprechende Koffein-Menge allein. Betrachtet man die große Zahl jugendlicher Konsumenten, mangelt es eindeutig an wissenschaftlichen Daten, wie sich Energy-Drinks auf deren Herz-Kreislaufsystem auswirken.
EDUCATE-Studie: Effekte auf Blutdruck und Herz auch ohne Überdosis
Kinderkardiologen am LMU Klinikum in München haben daher die EDUCATE-Studie (Energy Drinks Unexplored Cardiovascular Alterations in TEens and TwEens) initiiert, die von der Deutschen Herzstiftung gefördert wird. In der Studie haben 27 gesunde Kinder, die im Mittel 14 bis 15 Jahre alt waren, an zwei aufeinander folgenden Tagen jeweils einen Energy-Drink mit der von der EFSA als unbedenklich eingestuften Dosis Koffein erhalten – oder ein ansonsten ähnliches Süßgetränk ohne Koffein. Die Jugendlichen wussten nicht, welches Getränk sie an welchem Tag erhielten. Im Anschluss wurde jeweils über mehrere Stunden sowohl ihr Blutdruck als auch der Herzrhythmus mittels EKG gemessen.
Das Ergebnis: Obwohl die laut Lebensmittelbehörde unbedenkliche Koffeinmenge nicht überschritten war, hatten die Teilnehmer nach dem Konsum des Energy-Drinks signifikant höhere Blutdruckwerte, einige erreichten sogar Blutdruckspitzen, die als „Bluthochdruck“ einzustufen sind. Langfristig kann sich so das Herz-Kreislaufrisiko für die jungen Konsumenten erhöhen, zum Beispiel steigt die Gefahr für frühe Herzinfarkte oder Schlaganfälle, wie Wissenschaftler daraus folgern. Bekannt ist seit langem, dass Koffein die Blutgefäße verengt sowie die Pumpkraft des Herzens steigert und auch den Herzrhythmus beeinflusst.
In der EDUCATE-Studie waren im EKG nach Konsum der Energy-Drinks vermehrt Extra-Schläge („Herzstolpern“, supraventrikuläre Extrasystolen) zu verzeichnen. Sie gelten zwar per se nicht als gefährlich, aber, so der Hauptautor der Studie, Dr. Felix S. Oberhoffer, sie seien ein Zeichen, dass auch schon ein einziger Energy-Drink messbar den Herzrhythmus und den Blutdruck der jungen Konsumenten verändere.
Experten fordern mehr Aufklärung
„Die beobachteten Effekte können – zumindest teilweise – auf die hohen in den Energy-Drinks enthaltenen Koffein-Mengen zurückgeführt werden“, ist sich der Assistenzarzt an der Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, LMU Klinikum, sicher. Er warnt aber allgemein: „Insbesondere die Kombination von Energy-Drinks mit Alkohol und anderen Party-Drogen scheint bedenklich.“
Diese Ansicht teilt auch Prof. Dr. Julian Chun, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung und Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB), Frankfurt am Main. Auch wenn die EDUCATE-Studie relativ kleine Fallzahlen habe, sei sie gut gemacht und die Aussage dahinter plausibel und im Einklang mit anderen wissenschaftlichen Befunden. Prof. Chun spricht sich als Konsequenz aus dieser und ähnlichen Studien vor allem für mehr Aufklärung aus.
„Die Dosis macht das Gift“
Es gehe um einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit den Energy-Drinks, sowohl hinsichtlich der Dosis als auch möglicher Co-Faktoren, betont Chun. Er sieht ähnlich wie der Münchner Kollege vor allem den übermäßigen Konsum, oft noch im Kontext mit Alkohol, kritisch. „Die Dosis macht das Gift“, warnt er. Auch exzessive körperliche Aktivität oder Stress können die negativen gesundheitlichen Auswirkungen verstärken.
Tragischer Fall mit vorbelastetem Herz: Anlass für weitere Recherchen
Oberhoffer selbst hat einen tragischen Fall in seiner Institution erlebt: Eine 16-Jährige war in der Schule aufgrund einer Herzrhythmusstörung kollabiert. Sie hatte keinen Puls mehr, konnte zunächst reanimiert werden, starb aber einige Tage später in der Klinik. Es stellte sich heraus, dass ihr Herz durch eine unbemerkte Herzmuskelentzündung vorgeschädigt war. Zusätzlich hatte sie in den drei Tagen vor dem Kollaps wohl aufgrund von Schulstress wenig geschlafen und große Mengen Energy-Drinks zu sich genommen.
„Wahrscheinlich hat die Kombination der verschiedenen Faktoren in diesem Fall den tragischen Ausgang begünstigt“, sagt Oberhoffer. Gemeinsam mit anderen Kollegen nahm er dies zum Anlass für eine Recherche. Sie suchten nach ähnlichen Fällen in der wissenschaftlichen Literatur und fanden 17 weitere Berichte, in denen es nach dem Konsum von Energy-Drinks zu schweren gesundheitlichen Folgen bei Kindern oder Jugendlichen gekommen war. Es handelte sich um Arrhythmien oder akuten Bluthochdruck, um Herzinfarkte oder Gefäßspasmen, aber auch Krampfanfälle, Leber- oder Nierenschädigungen. Häufig bestanden Vorerkrankungen und/oder es waren exzessive Mengen an Energy-Drinks, zum Teil auch in Kombination mit Alkohol, getrunken worden.
Sind die EFSA-Limits für junge Menschen zu hoch?
Auch für Oberhoffer ist klar: „Kinder und Jugendliche sollten für die Risiken sensibilisiert und besser aufgeklärt werden!“ Und er wünscht sich, dass die von der EFSA als unbedenklich eingestuften Höchstdosen von Koffein für diese Altersgruppe hinterfragt werden. Minderjährigen mit bekannten Herzkreislaufrisiken (u.a. Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Übergewicht) würde er auf jeden Fall den Verzicht auf Energy-Drinks nahelegen – und dieser Empfehlung stimmt auch Chun vorbehaltlos zu.
Plötzlicher Herzstillstand nach Energy-Drink-Konsum
Eine weitere Studie stützt diesen Rat. US-Kardiologen haben die Krankenakten von 144 Menschen analysiert, die einen plötzlichen Herzstillstand überlebt hatten. Bei sieben fanden sie einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Konsum von Energy-Drinks (bis zu 12 Stunden zuvor). Es handelte sich um sechs Frauen und einen Mann im Alter zwischen 20 und 42 Jahren. Sechs der Betroffenen hatten vor dem Herzstillstand nicht gewusst, dass sie, etwa aufgrund einer erblichen Disposition, ein erhöhtes Risiko für Rhythmusstörungen haben. Alle erhielten nach dem überlebten Ereignis eine entsprechende Therapie, aber auch den Rat, in Zukunft auf den Konsum von Energy-Drinks zu verzichten. Daran hielten sich alle, berichten die Autoren – und bis dato sei es auch bei keinem der Patienten zu einem erneuten schweren Herz-Ereignis gekommen.
Auch diese Fälle zeigen nach Ansicht der Autoren, dass es in der Regel nicht allein der Konsum der Energy-Drinks war, der zum Herzstillstand führte. Fast immer gab es noch andere Trigger: neben dem Koffeinkonsum z.B. Schlafentzug, Dehydrierung, Diäten oder extremes Fasten sowie die Einnahme von Medikamenten, die den Herzrhythmus verändern können. Aber: „Neben den übrigen Empfehlungen zum Lebensstil, die wir Überlebenden eines Herzstillstands mitgeben, halten wir auch eine Warnung bezüglich des Konsums von Energy-Drinks für gerechtfertigt“, schreiben sie.
Verbraucherzentralen: Verkaufsverbot an Minderjährige gefordert
Übrigens fordern in Deutschland die Verbraucherzentralen schon länger ein Verkaufsverbot an Minderjährige von Getränken, die mehr als 150 mg Koffein pro Liter enthalten, sowie eine bessere Kennzeichnung. Bislang ist nach der deutschen Erfrischungsgetränkeverordnung eine Höchstdosis von 320 mg Koffein pro Liter erlaubt, die die Hersteller von Energy-Drinks in der Regel auch voll ausschöpfen. Ab 150 mg/Liter ist ein Warnhinweis Pflicht, dass das Getränk für Kinder sowie schwangere und stillende Frauen nicht geeignet ist.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat bereits in einer Stellungnahme im Jahr 2019 gewarnt, der übermäßige Konsum von Energy-Drinks könne das Gesundheitsrisiko für Herz und Kreislauf bei Kindern und Jugendlichen erhöhen. Aufgrund der damals verfügbaren Studien attestierte das BfR zwar bei moderatem Konsum (innerhalb der EFSA-Grenzwerte) „bei gesunden Erwachsenen kein gesundheitliches Risiko“.
Wer aber mehr als einen Liter eines Energy-Drinks pro Tag zu sich nehme, riskiere moderate bis schwere Wirkungen wie Herzklopfen (Palpitationen), Kurzatmigkeit, unkontrolliertes Muskelzittern (Tremor), schwere Übelkeit, Angstzustände, Nervosität oder auch EKG-Veränderungen, heißt es. Und: Kinder und Jugendliche seien als Risikogruppe zu betrachten, da sie laut Befragungen häufig die empfohlenen Koffein-Maximaldosen überschreiten. Dabei könnten zusätzlicher Alkoholkonsum oder anstrengende körperliche Aktivität die unerwünschten Wirkungen der koffeinhaltigen Energy-Drinks noch verstärken. Auch das BfR rät daher, die Aufklärung in dieser Konsumentengruppe auszuweiten.
- https://www.redbull.com/de-de/energydrink/red-bull-unternehmen
- https://www.bzfe.de/ernaehrung-im-fokus/online-spezial/energydrinks-motive-verzehr-und-risikowahrnehmung-bei-jugendlichen-1/
- https://www.nature.com/articles/s41390-023-02598-y
- https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/JAHA.116.004448
- https://www.researchgate.net/publication/371938253_Energydrinks_und_ihre_Auswirkungen_auf_die_Herz-Kreislauf-Funktion_bei_Kindern_und_Jugendlichen
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10255861/pdf/nutrients-15-02537.pdf
- https://www.heartrhythmjournal.com/article/S1547-5271(24)00189-9/abstract
Experte
Dr. Felix S. Oberhoffer, Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, LMU Klinikum München
Experte
Prof. Chun ist Chefarzt der Kardiologie, Medizinische Klinik III, Markuskrankenhaus, Frankfurt am Main.
Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung,
Außerdem ist er Mitglied des EHRA Boards (European Heart Rhythm Association) und im Gründungskomitee des #PULSEDAY.