Betablocker werden von einigen Patienten nicht gut vertragen. Typisch sind Klagen etwa über Schlafstörungen, Gewichtszunahme und Abgeschlagenheit. Und der Nachweis, dass ein klinisch bedeutsamer Schutzeffekt mit Betablockern nach einem Herzinfarkt erreicht wird, stammt zudem aus Studien, die schon mehrere Jahrzehnte alt sind.
In Anbetracht, dass viele Herzpatienten ohnehin viele Medikamente nehmen müssen, wurde nun in Studien geprüft, ob sie langfristig die Prognose wirklich bessern. So wurde in einer großen, an mehreren Kliniken in Frankreich durchgeführten Studie überprüft, ob Betablocker möglicherweise ein Jahr nach einem akuten Herzinfarkt abgesetzt werden können.
An der ABYSS-Studie waren über 3.600 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter 64 Jahre, überwiegend Männer) mit moderat reduzierter oder erhaltener linksventrikulärer Funktion (<40%) beteiligt. Bei den Teilnehmern wurde nach dem Zufallsprinzip eine bestehende Betablocker-Therapie entweder gestoppt oder weiter fortgesetzt. Nach dem Absetzen der Medikation wurde beobachtet, wie häufig Todesfälle auftraten, sowie nicht tödliche Herzinfarkte, nicht tödliche Schlaganfälle und Krankenhausaufnahmen infolge von Herzproblemen.
Zahl der Todesfälle blieb nahezu gleich
Nach einer mittleren Beobachtungszeit von drei Jahren nach Absetzen des Betablockers konnten die Wissenschaftler keinen merklichen Unterschied feststellen. Sowohl die Zahl der Todesfälle als auch die Rate neuer Herzinfarkte war in beiden Gruppen nahezu gleich.
Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzproblemen wurden in der Gruppe mit Betablocker-Stopp allerdings etwas häufiger registriert, zum Beispiel wegen durchblutungsbedingten Herzschmerzen (Angina pectoris). Auch die per Fragebogen ermittelte Lebensqualität der Patienten hatte sich nicht nach Absetzen des Betablockers verbessert.
Individuelle Entscheidung für oder gegen Betablocker
In einer weiteren im Jahr 2024 publizierten Studie (REDUCE-AMI) mit Patienten mit akutem Myokardinfarkt und weitgehend normaler linksventrikulärer Funktion war das Ergebnis, dass durch Betablocker keine prognoseverbessernde Wirksamkeit erzielt wurde. Was bedeutet das nun für Patienten mit akutem Herzinfarkt?
In der Kardiologie werden beide Studien intensiv diskutiert. Fakt ist, dass die Ergebnisse zunächst einmal nur für Infarkt-Patienten mit weitgehend erhaltener linksventrikulärer Funktion gelten. Insgesamt stärken sie ein individuelles Abwägen von eventuellen Nebenwirkungen bei einem Patienten unter Betablocker-Gabe gegen deren positiven Effekt, etwa auf den Blutdruck oder die Herzfrequenz.
Beta-blocker interruption or continuation after myocardial infarction. N Engl J Med 2024; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2404204 und REDUCE-AMI https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2401479
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
Broschüre: Herzinfarkt
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Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt (2022)
PDF: 8,62 MB