Menschen im höheren Lebensalter leiden häufig an einer besonderen Form der Herzschwäche, die medizinisch Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion genannt wird oder diastolische Herzschwäche. Charakteristisch dabei ist, dass das Herz zwar noch fast uneingeschränkt in der Lage ist, das Blut in den Körper zu pumpen. Doch die Wände der Herzkammern sind verdickt oder so steif, dass sie nicht mehr mit ausreichend Blut gefüllt werden – und somit weniger sauerstoffreiches Blut verteilt werden kann. Viele Betroffene sind zudem übergewichtig, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Bislang gibt es praktisch keine medikamentöse Standardtherapie, mit der diese Form der Herzinsuffizienz günstig zu beeinflussen ist. Doch mit neuen Substanzen, die ursprünglich gegen Diabetes und Übergewicht entwickelt wurden, könnte sich dies ändern. Das lassen zumindest aktuelle Studiendaten vermuten. Erste positive Ergebnisse gibt es bereits mit den sogenannten SGLT-2-Hemmern (Wirkstoffe sind z.B. Empagliflozin, Dapagliflozin). Nun rücken auch Wirkstoffe aus der Gruppe der sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten in den Fokus, die bereits als „Abnehmspritzen“ in den Medien hohe Bekanntkeit erlangt haben.
Neu im Fokus: Abkömmlinge körpereigener Hormone
Die beiden Wirkstoffe Semaglutid und Tirzepatide sind eigentlich ursprünglich als Medikamente gegen Diabetes entwickelt worden. Zur Überraschung der Wissenschaftler stellte sich heraus, dass diese außerdem deutlich das Körpergewicht bei den häufig übergewichtigen Diabetikern verringern. Ebenso wurde bei Menschen ohne Diabetes der gewichtsreduzierende Effekt festgestellt. Bei beiden Medikamenten handelt es sich um lang wirksame Abkömmlinge körpereigener Hormone (sogenannter Inkretine), die in der Darmwand gebildet werden und die unter anderem den Zuckerstoffwechsel beeinflussen.
Dennoch unterscheiden sich die beiden Substanzen.
Wirkungsweise:
- Semaglutid: Dieser Wirkstoff ahmt das Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) nach, welches die Insulinausschüttung fördert, den Blutzuckerspiegel senkt und das Sättigungsgefühl steigert.
- Tirzepatid: Tirzepatid wirkt sowohl auf GLP-1 als auch auf GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Peptid). Durch diese duale Wirkung kann es den Blutzucker effektiver senken und den Appetit stärker reduzieren.
Worum ging es in der neuen Studie?
Gerade die Daten einer kürzlich publizierten Studie haben nun hohe Erwartungen geweckt, künftig insbesondere Patienten mit Herzschwäche und erhaltener Pumpfunktion auch eine wirksame Therapie anbieten zu können. Dazu wurden 731 deutlich überwichtige Patienten (BMI über 30) mit dieser Form der Herzinsuffizienz nach Zufallskriterien in zwei Gruppen eingeteilt: die eine wurde mit Tirzepatid behandelt, die andere mit einem Scheinmedikament. (Placebo). Die Medikamente wurden in wöchentlichen Abständen mit einer Dosissteigerung von 5-15 mg mit einer ganz dünnen Nadel unter die Haut (subkutan) gespritzt. Die Wirkung der Behandlung bei den Patientin wurden für mindestens ein Jahr nachbeobachtet.
Um den Effekt der Therapie auf die Erkrankung und die Lebensqualität der Patienten zu überprüfen, wurde ermittelt, wie häufig sich im Studienverlauf in den beiden Patientengruppen die Herzschwäche verschlechterte und ein Krankenhausaufenthalt nötig wurde bzw. wie oft es sogar zu einem herzbedingten Todesfall kam.
Was hat die Studie ergeben?
- Weniger Krankenhausaufenthalte: Bei Patienten, die Tirzepatid einnahmen, war das Risiko für eine Verschlechterung der Herzschwäche deutlich niedriger als bei der Placebo-Gruppe. Eine Verschlechterung bzw. ein Herztod trat bei knapp 10 Prozent der mit Tirzepatid behandelten Studienteilnehmer auf verglichen mit über 15 Prozent in der Placebogruppe
- Bessere Lebensqualität: Nach einem Jahr berichteten die Patienten über eine spürbare Verbesserung ihrer Lebensqualität und körperlichen Leistungsfähigkeit.
- Gewichtsverlust: Die Patienten in der Tirzepatid-Gruppe verloren im Durchschnitt 14 Prozent ihres Körpergewichts, während die Placebo-Gruppe nur zwei Prozent verlor.
- Nebenwirkungen: Vor allem Magen-Darm-Beschwerden waren häufig – meist nur zu Beginn der Behandlung. Beschwerden des Magen-Darm-Traktes, die ein Beenden der Therapie notwendig machten, traten bei 6,3 Prozent der mit Tirzepatid und bei 1,4 Prozent der mit Placebo behandelten Patienten auf.
Was lässt sich aus den Daten schlussfolgern?
Bei stark übergewichtigen Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Auswurffraktion lässt die Therapie mit Tirzepatid nicht nur die Pfunde purzeln. Auch die körperliche Leitungsfähigkeit – gemessen anhand der 6-Minuten Gehstrecke – sowie die Lebensqualität können verbessert und die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Verschlechterung der Herzschwäche kann verringert werden. Eine wissenschaftliche Arbeit, die mehrere Studien mit dem Wirkstoff Semaglutid ebenfalls bei Patienten mit Herzschwäche und erhaltener Auswurfleistung auswertete, kam zu ähnlichen Ergebnisse. Ob auch Patienten mit einem geringeren BMI als 30 oder mit einem erhöhten Taillenumfang (als Zeichen von viel Bauchfett) in ähnlicher Weise profitieren, müssen weitere Studien belegen.
Cardiovascular Outcomes of Tirzepatide in Patients with Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity; DOI: 10.1056/NEJMoa2410027
Experte
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.