Gelenkbeschwerden sind eine typische Alterserscheinung. Und häufig ist Selbstmedikation ein erster Schritt, etwas dagegen zu unternehmen. Gerade Herzpatienten sollten selbst bei Nahrungsergänzungsmitteln zurückhaltend sein. Lesen Sie, was bei Calciumpräparaten zu beachten ist.
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Ich (75 Jahre) habe Knie- und Hüftprobleme. Von Bekannten wurde mir daher ein spezielles Mittel mit Calcium aus Korallen empfohlen. Im Beipackzettel steht allerdings: „Bei Einnahme von Antikoagulanzien Arzt befragen“.
Da ich Vorhofflimmern, Rhythmusstörungen und hohen Blutdruck habe, nehme ich etliche Herz-Medikamente. Neben einem Blutverdünner (Xarelto) gehören dazu auch Torasemid, Losartan, Bisoprol, Amlodipin, Atorvastatin und Ezetimib. Daher meine Frage: Kann ich ein solches Calcium-Mittel überhaupt gefahrlos einnehmen? (Annette K., Saarbrücken)
Experten-Antwort:
Knie- und Hüftprobleme sind oft mit großen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden. Viele Menschen versuchen sich aus nachvollziehbaren Gründen in Eigenregie zu helfen. Doch zu Calciumpräparaten aus Korallen fehlen zum einen solide wissenschaftliche Studien zum Nutzen. Das enthaltene Korallen-Calcium ist nicht anders als Calcium(-Ionen) aus der Nahrung oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln. Zum anderen ist neben dem meist überhöhten Preis solcher Mittel die Gewinnung aus Korallen unter Umweltaspekten kritisch zu hinterfragen.
Generell ist bei Herzpatienten zwar bekannt, dass Calcium eine wichtige Rolle für den Herzrhythmus spielt – allerdings in einem sehr komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Daher kann sowohl ein krankhafter Calciummangel (Hypokalzämie) als auch eine Überversorgung (Hyperkalzämie) zu Herzrhythmusstörungen führen.
Einer (bereits älteren) Studie zufolge kann zu viel Calcium im Blut durch sogenannte Nahrungsergänzungsmittel sogar das Herzinfarktrisiko erhöhen. Ebenso sind Gefäßverkalkungen nicht auszuschließen. Bei einer hohen Zufuhr von Calcium über die Nahrung war ein solcher Zusammenhang nicht erkennbar.
Die Deutsche Gesellschaft die Ernährung empfiehlt z.B. eine tägliche Gesamt-Calciumzufuhr von 1000 mg, die in der Regel gut über die Ernährung erreicht werden kann (v.a. in Milchprodukten wie fettarmer Milch und Käse – v.a. Hartkäse/Emmentaler sowie grünem Gemüse wie Brokkoli, Rucola, Fenchel und in Nüssen wie Hasel- und Paranüsse) oder auch über calciumhaltiges Mineralwasser. Insgesamt erscheint es daher ratsam, vor der zusätzlichen Einnahme eines Calciumpräparates (gleich welchen Herstellers) Rücksprache mit dem behandelnden Kardiologen zu halten.
Wenn für die Knochen (v.a. zur Vorbeugung/Therapie von Osteoporose) ein Calciumpräparat ratsam erscheint, gibt es viele gut dosierte und – wichtig! – mit Vitamin D3 kombinierte Präparate. Gegen Arthroseerscheinungen sind Calciumpräparate nicht direkt wirksam, sie stärken die Knochen allgemein. Oft sind bei Arthrose die Knochen in der Nähe der Gelenke jedoch mit betroffen.
Experte
Prof. Dr. Hans Hauner, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e. V., Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin.