US-Kardiologen definieren: Wann liegt eine Myokarditis nach Covid-19 oder Impfung vor
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann das Herz auf unterschiedliche Art angreifen und belasten – sowohl akut als auch langfristig. Manches resultiert in auffälligen Beschwerden, manche Veränderung ist auch nur bei Untersuchungen durch eine Bildgebung feststellbar. Gerade eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) steht dabei immer wieder im Fokus – auch weil es wenige Fälle einer impfinduzierten Myokarditis gibt. Wie lassen sich die eine Myokarditis und andere Myokardschäden sicher feststellen? Was ist dann zu tun? Und wann darf Sportlern die Rückkehr zu ihrem Training wieder erlaubt werden? Um die mit diesen Fragen verbundenen Unsicherheiten zu reduzieren, haben Experten der Amerikanischen Kardiologenvereinigung ACC gemeinsam Empfehlungen erarbeitet.
Kernpunkt ist, dass von einem routinemäßigen Check auf Herzschäden abgeraten wird. Nur bei mäßigem bis starkem Verdacht auf eine Herzbeteiligung (Brustschmerz, Herzrasen/Herzstolpern, Synkopen, Müdigkeit bei Anstrengung) sollte eine nähere Untersuchung erfolgen unter anderem mit EKG, Troponin-Messung und Echokardiographie. Bei Auffälligkeiten sollte ein Kardiologe hinzugezogen werden, der je nach Befund weitere bildgebende Verfahren wie eine kardiale Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder Koronar-Computertomographie (CT) einsetzt.
Eine Myokarditis haben die US-Kardiologen definiert durch im wesentlichen 3 Punkte:
- das Vorhandensein von kardialen Symptomen, (z. B. Brustschmerzen, Dyspnoe, Herzklopfen, Synkope)
- ein erhöhtes Troponin (cTn)
- abnorme Befunde im EKG, Echokardiogramm (z. B. linksventrikuläre Wandbewegungsstörungen), kMRT und/oder Gewebeproben aus Biopsie/Autopsie (z.B. Entzündungszeichen mit Zellzerstörung)
Sie haben dann noch weiter differenziert. Von einer „definitiven Myokarditis“ ist laut ACC auszugehen, wenn alle Punkte zutreffen inklusive schon während der Akutinfektion vorhandener Myokarditis-Hinweise aus MRT/Biopsie. Fehlen hingegen Biopsie-/MRT-Befunde, sprechen die Experten von einer „möglichen Myokarditis“. Hierbei wurden idealerweise bestehende Koronararterienerkrankung bei Männern, die älter als 50 Jahre sind, und Frauen, die älter als 55 Jahren sind, bereits ausgeschlossen. Von einer „wahrscheinlichen Myokarditis“ ist wiederum auszugehen, wenn alle Punkte zutreffen, jedoch erst innerhalb der nächsten sechs Monate im MRT bzw. in einer Biopsie Hinweise auf eine zurückliegende Myokarditis nachweisbar sind. „Veränderungen am Herzen sind häufig nur mit Hilfe einer bildgebenden Untersuchung feststellbar. Konkrete Kriterien wie die der ACC-Kollegen helfen bei der Diagnosesicherung und Behandlung von Herzmuskelentzündungen“, so Prof. Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Sie helfen auch, eine Myokarditis von einer anderweitigen Herzbeteiligung zu unterscheiden.“
Die US-Experten haben ebenfalls den etwas weiter gefassten Begriff einer Herzbeteiligung definiert. Diese liegt danach vor, wenn abnormale Myokard-Befunde aus EKG, Echo, MRT oder der Histopathologie vorliegen, die jedoch nicht die Kriterien einer Myokarditis erfüllen. Dabei können die Befunde mit und ohne Beschwerden beim Patienten auftreten und sich mit oder ohne erhöhtes Troponin äußern. Bei deutlich über dem Referenzwert liegenden Troponin-Werten (über der 99.Perzentile) sei von einer Myokardschädigung auszugehen. Diese kann mit sehr unterschiedlichen Mechanismen zusammenhängen, die von der Ischämie bis zum Zytokinsturm reichen. Eine Myokardschädigung in Zusammenhang mit Covid-19 ist oft mit einer schlechteren Prognose verbunden. „Eine Herzbeteiligung stellt zwar keine Myokarditis dar, ist aber aufgrund der oftmals diffuseren Symptomatik tückisch. Denn die Beschwerden sind nicht immer eindeutig dem Herzen zuzuordnen, obwohl Schäden am Herzmuskel vorliegen“, bestätigt der Kardiologe Prof. Voigtländer, der ärztlicher Direktor am Agaplesion Bethanien Krankenhaus in Frankfurt am Main ist.
Mechanismus
Eine durch Viren ausgelöste Myokarditis wurde in der Vergangenheit durch drei Phasen definiert:
- akute virale Exposition mit einer angeborenen Immunantwort (<1 Woche);
- Aktivierung einer erworbenen Immunantwort mit Zytokin- und Chemokinfreisetzung (1-4 Wochen) und
- das Fortschreiten der Krankheit mit Beseitigung des Virus und der Entwicklung von Vernarbungen (Fibrose), Gewebeumbau (Remodeling) und Kardiomyopathie (>4 Wochen).
Obwohl Myokarditis-Fälle nach einer SARS-CoV-2-Infektion selten sind, folgen sie weitgehend diesem Muster. Bei einigen Personen mit Myokarditis werden ein erhöhter cTn-Wert und Anomalien im kMRT schon früh nach der Infektion beobachtet; sehr viel häufiger kommt es jedoch zu einem verzögerten Auftreten von Herzsymptomen, Erhöhung der kardialen Biomarker und Anomalien in der kardialen Bildgebung.
Empfehlungen zur Behandlung
Die Behandlung hängt davon ab, ob kardiale Symptome und weitere Covid-Symptome vorhanden sind. Die ACC-Experten raten zu folgenden Maßnahmen:
- Patienten ausschließlich mit Brustschmerzen, aber ohne Zeichen einer Herzschwäche (eingeschränkte linksventrikuläre Funktion) oder Rhythmusstörungen können engmaschig ambulant behandelt werden mit einer Nachkontrolle nach drei bis sechs Monaten.
- Bei einer mild bis moderat ausgeprägten definitiven Myokarditis ist ein Klinikaufenthalt ratsam, idealerweise in einer Herzinsuffizienzzentrum. Je nach Symptomatik könnten dort u.a. Sauerstoff, Kortikosteroide oder nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) gegeben werden.
- Bei Patienten ohne Beschwerden/Symptomen und mit dem Zufallsbefund einer Myokardbeteiligung brauchen keine Behandlung, sollten aber informiert werden auf Warnsignale wie Brustschmerzen und Kurzatmigkeit zu achten.
Die US-Autoren gehen in ihren Empfehlungen auch explizit auf impfassoziierte Fälle einer Myokarditis ein. Da diese in der Regel milde verliefen, sei z.B. bei rascher Beschwerdebesserung, normalen/sinkenden Troponin-Werten und einer normalen Herzleistung eine Behandlung auch nicht unbedingt nötig. Prinzipiell gelte das gleiche Vorgehen wie bei einer Myokarditis durch SARS-CoV-2, so dass bei anhaltenden Beschwerden die Behandlung etwa mit Kortikosteroiden oder NSAID erwogen werden könnte.
Eher vorsichtig äußern sich die Experten zu weiteren Impfungen nach einer impfassoziierten Myokarditis. Die Entscheidung dazu müsse individuell in Abhängigkeit des Risiko für schwere Covid-19-Verläufe getroffen werden. Die Wissenschaftler betonen zugleich, dass insgesamt der Nutzen der Impfung durch diese seltene Impfkomplikation deutlich überwiegt.
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Empfehlungen zum Sport
Generell wichtig: Bei Nachweis einer Myokardbeteiligung (inklusive Myokarditis) sollte körperliche Anstrengung für drei bis sechs Monate vermieden werden.
Speziell bei Leistungssportlern haben die Experten ihre Empfehlungen bei einer Covid-Infektion weiter differenziert.
- Eine Sportpause von drei Tagen wird als ausreichend erachtet bei nachgewiesener Infektion ohne Symptome.
- Bei mildem Infekt ohne kardiopulmonale Beschwerden sollten die Sportler warten, bis diese wieder verschwunden sind. Hier sind laut ACC auch keine weiteren kardiologischen Untersuchungen nötig, da nach aktueller Datenlage eine Myokarditis (oder eine bedeutsame Myokardbeteiligung), bei einer milden Covid-Erkrankung ohne Beschwerden an Herz und Atmung unwahrscheinlich ist.
- Leiden Sportler an Symptomen an Herz und Lunge sollten sie solange kein intensives Training absolvieren, bis die Symptome vollständig abgeklungen sind und eine Untersuchung beim Herzspezialisten vorgenommen wurde.
- Sportler mit Covid-19 und einer Myokarditis-Diagnose sollten drei bis sechs Monate pausieren und erst wieder mit dem Training starten, wenn keine kardiopulmonalen Beschwerden mehr vorhanden sind, die Leistungsfähigkeit des Herzens sich wieder normalisiert hat ebenso wie die Labor-Hinweise auf einen Myokardschaden. Außerdem dürfen im Belastungstest bzw. im EKG bei der kardiologischen Untersuchung keine Rhythmusstörungen auftreten.
Dies entspricht auch Empfehlungen der Deutschen Herzstiftung, wonach bei einer als sicher anzunehmenden Myokarditis intensive sportliche Aktivitäten für etwa sechs Monate vermieden und erst nach einer kardiologischen Kontrolluntersuchung wieder aufgenommen werden sollten.
Myokarditis-Diagnose: Vorteil kardiale MRT
Bis vor nicht allzu langer Zeit galt nur der Nachweis von zerstörtem Myokardgewebe durch eine Biopsie als gesicherter Beweis einer Myokarditis. Inzwischen hat sich die kardiale Magnetresonanztomographie (kMRT) als sehr gute nicht invasive Alternative erwiesen. Mit Hilfe des bildgebenden Verfahrens kann eine akute Myokarditis sicher festgestellt werden. Durch sogenannte Mappingtechniken (T1 und T2 Mapping) kann dabei die Muskulatur der linken Hauptkammer auf das Vorliegen von Entzündungsarealen untersucht werden. Es kann sehr genau analysiert werden, ob durch die Entzündung eine Schwellung im Myokard besteht. Zusätzlich kann durch die Gabe von speziellen MRT- Kontrastmittel untersucht werden, ob sich durch die Entzündung bereits eine Zunahme von Bindegewebe (Remodeling) und Vernarbungen (Fibrose) im Myokard zeigt (late Enhancement, LGE).
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Experte
Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V., Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt a. M. und Mitglied im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. Zu den Schwerpunkten des Herzspezialisten zählen u. a. die interventionelle Kardiologie und nichtinvasive Bildgebung.
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Forschungsförderung
Dass SARS-CoV-2 den Herzmuskel schädigen kann, ist mittlerweile bekannt. Allerdings kennen wir noch nicht die genauen Mechanismen, mit denen das neuartige Coronavirus das Herz schädigt, wenn es den Herzmuskel befällt. Die Herzstiftung unterstützt genau zu dieser Fragestellung ein Forschungsvorhaben der Abteilung für Kardiopathologie des Instituts für Pathologie und Neuropathologie am Universitätsklinikum Tübingen unter Leitung von Prof. Dr. Karin Klingel. Hier erläutert die Ärztin und Forscherin, welche Erkenntnisse sie und ihr Team sich von ihren umfangreichen Untersuchungen versprechen - als weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen Covid-19 und seine Folgen für Herz und Gefäße.
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J Am Coll Cardiol. Mar 16, 2022. Epublished DOI: 10.1016/j.jacc.2022.02.003