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Neues aus der Herzmedizin

Hier lesen Sie eine Auswahl an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Studien, von Kongressen und Expertentagungen zum Thema Herzerkrankungen.

Aktualisiert: 13.11.2023

Aktuelle Nachrichten November 2023

Wer nach Stent-Implantation weiter raucht, verkürzt sein Leben

Die ungünstigen Auswirkungen des Rauchens sowohl auf das Entstehen als auch das Fortschreiten einer koronaren Herzkrankheit sind durch zahlreiche Studien belegt. In einer Studie wurde nun auch überprüft, ob sich Zigarettenrauchen ebenso nachteilig auf den Verlauf dieser Erkrankung nach einer Koronargefäßdilatation und Stentimplantation (PCI=perkutane koronare Intervention) auswirkt. 

In einer großen koreanischen Studie wurde zur Klärung dieser Frage über 74.000 Patienten nach PCI in folgende Gruppen eingeteilt: Nichtraucher, (Ex-)Raucher, die nach dem Eingriff aufhörten, und fortgesetzte Raucher. Die Patienten wurden über vier Jahre nach der PCI weiter beobachtet und es wurden alle in dieser Zeit aufgetretenen kardiovaskulären Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Bypassoperation und Schlaganfall) erfasst.  

Das Ergebnis: Wer fortgesetzt rauchte, hatte der Auswertung zufolge eine um fast 20 Prozent größere Häufigkeit an kardiovaskulären Ereignissen im Vergleich zu Nichtrauchern. Ex-Raucher, die vor dem Eingriff weniger als 20 Zigaretten täglich rauchten und dann aufhörten, hatten eine ähnliche Ereignishäufigkeit wie Nichtraucher. Bei Ex-Rauchern mit einem höheren Zigarettenkonsum – nämlich von über 20 Zigaretten täglich – vor der PCI war die Ereignishäufigkeit zumindest reduziert im Vergleich zu Rauchern. Je höher der frühere Zigarettenkonsum vor PCI war, desto geringer fiel die Risikoreduktion aus. 

Diese Daten unterstützen noch einmal mehr die ärztliche Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören– generell wie auch nach einem Eingriff am Herzen mit Setzen eines Stents. (1)

Strenge Blutdruckeinstellung wirkt auch bei Hochbetagten

Der Anstieg vor allem des systolischen Blutdrucks (oberer Wert der Messung) im hohen Lebensalter wird häufig – auch von Ärzten – als natürlich angesehen und daher nicht behandelt. Aktuelle Studiendaten deuten allerdings darauf hin, dass eine Blutdrucksenkung wohl einen Überlebensvorteil bringt. 

Wissenschaftler haben im Rahmen der großangelegten Women’s Health Studie die Entwicklung des Blutdrucks bei über 16.000 Frauen im Alter ab 65 Jahre rund 18 Jahre lang nachbeobachtet. Die Studienteilnehmerinnen erhielten teilweise eine blutdrucksenkende Medikation, andere nicht. Alle waren ansonsten gesund. Endpunkt der Studie war das Erreichen des 90. Lebensjahres. 

Das entscheidende Studienergebnis: Die größte Wahrscheinlichkeit, das 90. Lebensjahr zu erreichen, hatten jene Frauen, deren systolischer Blutdruck im Mittel bei 120 lag. So hat der Auswertung zufolge eine 65-jährige Frau mit gut eingestelltem Blutdruck, bei der 80 Prozent der systolischen Blutdruckwerte zwischen 110 und 130 mmHg liegen, statistisch eine Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent das 90. Lebensjahr zu erreichen. Im Vergleich dazu hat eine gleichaltrige Frau, bei der nur 20 Prozent der systolischen Blutdruckwerte im erwünschten Bereich liegen, lediglich eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 21 Prozent. Es ist zudem hochwahrscheinlich, dass dieser Vorteil einer strengen Blutdruckeinstellung nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer zutrifft.  (2)

Covid-19 fördert Atherosklerose der Herzkranzgefäße

Patienten mit einer Covid-19-Infektion haben offensichtlich ein deutlich erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt. Das geht aus mehreren Studien hervor. Es besteht die Vermutung, dass eine extreme Entzündungsreaktion (sogenannte Hyperinflammation), die bei schweren Covid-Verläufen auftreten kann, wesentlich zu dem erhöhten kardiovaskulären Risiko beiträgt. Aktuelle experimentelle Untersuchungen bestätigen nun diese Vermutung. 

Für diese Untersuchungen wurden Gewebeproben von acht Patienten entnommen, die an einer schweren Corona-Infektion verstorben waren. Diese wurden dann histologisch und molekularbiologisch näher analysiert. In allen Gewebeproben fand sich dabei Genmaterial des Covid-Virus SARS-CoV-2. Die virale RNA war vorwiegend in den Entzündungszellen (Makrophagen) lokalisiert, die sich wiederum in atherosklerotischen Plaques mit ausgeprägter Cholesterineinlagerung angesammelt hatten. Durch das SARS-CoV-2 Virus konnte experimentell zudem in kultivierten Makrophagen aus den Patienten entnommenen atherosklerotischen Gefäßen eine starke Entzündungsreaktion ausgelöst werden. Die durch die Viren ausgelöste Infektion ging mit einem starken Anstieg von Zytokinen (Entzündungsstoffen in Blut und Gewebe) einher. Zytokine sind dafür bekannt, dass sie sowohl einen Herzinfarkt als auch einen Schlaganfall im Rahmen einer solchen Entzündungsreaktion auslösen können. 

Die Forscher folgern aus den Ergebnissen ihrer experimentellen Untersuchung, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 offenbar auch die Herzkranzgefäße befallen kann. Über Entzündungsprozesse in den atherosklerotischen Einlagerungen können dann kardiovaskuläre Komplikationen ausgelöst werden. (3)

    1. Smoking and cardiovascular outcomes after percutaneous coronary intervention: a Korean study; European Heart Journal 2023; doi.org/10.1093/eurheartj/ehad616 
    2. Systolic Blood Pressure and Survival to Very Old Age. Results from the Women's Health Initiative; medRxiv: 2023; doi: 10.1101/2023.06.22.23291783 
    3. SARS-CoV-2 infection triggers pro-atherogenic inflammatory responses in human coronary vessels; Nature Cardiovascular Research 2023; DOI; 10.1038/s44161-023-00336-5 

    Nachricht-Archiv Oktober (2023)

    Wie geht es nach einem überstandenen Herzinfarkt gesundheitlich weiter? Diese Frage stellen sich viele Patienten. Und auch schwedische Forscher sind ihr nachgegangen. Denn die Lebenserwartung nach einem Herzinfarkt wird neben der Ausdehnung des Infarkt es durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt. In einer umfangreichen Untersuchung haben die Wissenschaftler eine unerwartete Entdeckung gemacht.

    Insgesamt wurden für diese Untersuchung über 18.000 Patienten ein Jahr nach einem überlebten Herzinfarkt nach eventuell vorhandenen chronischen Schmerzzuständen nach einem standardisierten Muster befragt. Die Schmerzzustände wurden dann in fehlend, moderat oder extrem klassifiziert. Über einen Zeitraum von gut acht Jahren blieben die Patienten unter Beobachtung und es wurde die Gesamtsterblichkeit erfasst.

    Das Ergebnis: Moderate Schmerzzustände fanden sich bei 38,2 Prozent und extreme bei 4,5 Prozent der Patienten. Über 1000 Patienten starben während der Beobachtungsperiode. Das Überraschende: Im Vergleich zu Patienten ohne Schmerzzustände hatten solche mit moderaten Schmerzen ein um 35 Prozent erhöhtes Risiko in den nächsten Monaten nach dem Infarkt zu sterben. Das Risiko bei Patienten mit extremen Schmerzen war sogar um 100 % erhöht.

    Da die Todesumstände und Ursachen nicht erfasst wurden, bleibt die Erklärung für die erhöhte Sterblichkeit spekulativ. Denkbar ist, dass die den Schmerzen zu Grunde liegende Krankheit oder die Schmerztherapie die Lebenserwartung dieser Patienten ungünstig beeinflusst hat.

    Quelle: A SWEDEHEART Study, Sept. 2023; https://www.ahajournals.org/doi/epub/10.1161/JAHA.123.029648

    Schon länger wird Patienten mit Vorhofflimmern empfohlen, die körperliche Fitness durch mehr Bewegung zu fördern. Wie groß der Effekt von Sport auf die Rhythmusstörung ist, wurde vor kurzem in einer Studie bestätigt.

    Dazu wurden die Gesundheitsdaten von 15.000 Personen ohne bisher bekanntes Vorhofflimmern, die eine Fahrradergometeruntersuchung erhalten hatten, anschließend nach rund 137 Monate zurückblickend analysiert. Neu aufgetretenes Vorhofflimmern fand sich in der Auswertung bei 3,3 Prozent aller Studienteilnehmer (Alter im Mittel 54 Jahre). Je fitter sich die Probanden auf dem Fahrradergometer gezeigt haten, desto seltener kam es allerdings zu einem Vorhofflimmern. Für jede Fitness-Stufe, berechnet als metabolisches Äquivalent (MET = drückt die Maximalbelastung auf dem Ergometer aus, ein MET entspricht dabei grob 25 Watt Leistung), reduzierte sich das Risiko deutlich um acht Prozent. Dies ging einher mit einem um zwölf Prozent erniedrigten Risiko für ischämische Schlaganfälle und einem um 14 Prozent erniedrigten Risiko für schwerwiegende Herz-Gefäß-Komplikationen wie einem Herzinfarkt. Der günstige Effekt der körperlichen Fitness war unabhängig von Alter, Geschlecht, Gewicht (Body Mass Index), Vorhandensein von Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Und: Besonders Menschen über 60 Jahren profitierten von einer höheren Fitness.

    Schlussfolgerung: Körperliche Fitness senkt nicht nur das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern, sondern auch das für Schlaganfälle und schwerwiegende Herz-Komplikationen.

    Quelle: Exercise performance and the risk of incident atrial fibrillation; ESC Congress 2023; Amsterdam, Poster und Abstract

    Bei Patienten über 75 Jahre mit einem Herzinfarkt wird in der Regel nur das verschlossene Herzkranzgefäß mittels einer Katheterbehandlung (Perkutane Koronarintervention; PCI) wiedereröffnet. Doch was ist, wenn weitere Verengungen in anderen Herzkranzgefäßen vorliegen, also Mehrgefäßerkrankungen? Bislang wurde hier bei älteren Patienten eher zurückhaltend agiert, da Komplikationen durch einen weiteren invasiven Eingriff zur Revaskularisierung (Maßnahme, um eine gute Blutversorgung wieder zu ermöglichen) befürchtet wurden. Diese Sorge scheint nach neuen Studiendaten jedoch unbegründet zu sein.

    Wissenschaftler kommen zu diesem Schluss, nachdem sie bei einer Gruppe von 1445 Herzinfarkt-Patienten im mittleren Alter von 80 Jahren verglichen haben, welches Vorgehen mit einer besseren Überlebenschance nach einem Jahr verbunden war. Alle Patienten der FIRE-Studie hatten eine Mehrgefäßerkrankung. Dabei wurde bei der einen Hälfte jedoch nur das Gefäß wiedereröffnet, das für den Herzinfarkt ursächlich war. Bei den anderen Patienten wurden zeitgleich oder zeitnah auch die weiteren stark verengten Herzkranzgefäße behandelt. Voraussetzung war, dass diese Gefäßverengungen zuvor per „physiologischer Testung“ als relevant für den Blutdurchfluss des Herzens beurteilt worden waren.

    Es zeigte sich, dass diejenigen älteren Patienten, die sich einer vollständigen Revaskularisierung aller verengten Gefäße unterzogen hatten, nach einem Jahr davon profitierten - unter anderem hinsichtlich erneuten Herzinfarkten und dem Risiko zu sterben. Sie wiesen insgesamt ein um 27 Prozent verringertes Risiko für eine Kombination aus Tod, weiterem Herzinfarkt, Schlaganfall oder erneuter Revaskularisierung auf im Vergleich zu diejenigen, die eine PCI nur am ursächlich verstopften Gefäß erhalten hatten. Der Vorteil schien mit der Zeit sogar noch stärker hervorzutreten. In puncto Sicherheit bestand in der Studie kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen.

    Quelle: Complete or Culprit-Only PCI in Older Patients with Myocardial Infarction, August 2023; https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2300468

    Experte

    Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
    Portrait von Prof. Thomas Meinertz

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