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Neues aus der Herzmedizin

Hier lesen Sie eine Auswahl an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Studien, von Kongressen und Expertentagungen zum Thema Herzerkrankungen.

Aktualisiert: 01.07.2024

News Juli

  1. Xylit, bekannt als zahnfreundliche Zuckeralternative, erhöht laut einer Studie das Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle erheblich.
  2. Alkohol erhöht dosisabhängig den Blutdruck. Eine dänische Studie mit 104.000 Teilnehmern zeigt: Mehr Alkohol führt zu höheren Blutdruckwerten.
  3. Eine Studie ergab, dass bei hohen nächtlichen Temperaturen häufiger Schlaganfälle auftreten - insbesondere bei älteren Patienten und Frauen.

Nachricht-Archiv Juni

Zahlreiche Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) werden mit “Nitraten” gegen Brustbeschwerden (Angina Pectoris) behandelt. Wer allerdings mit solchen Medikamenten therapiert wird, darf nicht gleichzeitig Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-Hemmer wie Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil) einnehmen, die meist als Potenzmittel genutzt werden, seltener auch gegen Lungenhochdruck. So steht es im  Beipackzettel. Es besteht hier eine sogenannte Kontraindikation, da es unter einer Behandlung mit Nitraten plus  Einnahme dieser Medikamente zu schweren Blutdruckabfällen bis hin zu tödlichen Folgen kommen kann. In den ersten Jahren nach Einführung dieser Medikamente wurde dies auch weitgehend beachtet. Inzwischen gibt es zunehmend Hinweise, dass KHK-Patienten diese Potenzmittel einnehmen, auch wenn sie gleichzeitig mit Nitraten behandelt werden. Wie gravierend sind die gesundheitlichen Folgen? Wissenschaftler haben hierzu nun praxisnahe Erkenntnisse von schwedischen Patienten zusammengetragen. 

In einem schwedischen Patientenregister wurden dazu über 50.000 KHK-Patienten erfasst, die mit Nitraten behandelt wurden. Die Analyse der Krankendaten ergab, dass etwa jeder zehnte dieser Patienten, die in der Vorgeschichte bereits einen Herzinfarkt hatten oder bei denen ein Eingriff zu Verbesserung der Herzgefäßdurchblutung (Revaskularisation) erfolgt war, zusätzlich Sildenafil (Viagra) oder andere Medikamente dieser Art einnahm. Die Wissenschaftler prüften dann den Gesundheitsverlauf bei diesen Patienten im Vergleich zu jenen KHK-Patienten, die nur Nitrate einnahmen.

Ergebnis: Patienten, die zusätzlich zu Nitraten auch Potenzmittel einnahmen, starben früher (um 40 % erhöhtes Risiko), hatten häufiger Herzinfarkte und andere schwere kardiale Komplikationen (jeweils um 70 % erhöhtes Risiko). Außerdem entwickelten sie häufiger eine Herzschwäche (um 67 % erhöhtes Risiko).

Dieser ziemlich eindeutige Zusammenhang von gesundheitlichen Folgen bei gleichzeitiger Therapie mit Nitraten und Potenzmitteln (PDE-5-Hemmer) ist jedoch mit Einschränkungen zu betrachten, wie die Studienautoren einräumen. Denn es sei in der Studie nicht bekannt gewesen, wann die jeweilige Einnahme der Medikamente erfolgte, sondern nur, dass es für beide Substanzgruppen entsprechende Verordnungen gab. So gab es zum Beispiel in den 28 Tagen direkt nach einer Sildenafil-Verordnung keine auffällig erhöhte Zahl an Herzereignissen.

In einem Experten-Kommentar zur Studie wird daher darauf verwiesen, dass die Kontraindikation mit einer Einnahme von PDE-5-Hemmern uneingeschränkt für KHK-Patienten mit einer Dauertherapie mit Nitraten gilt. Bei stabiler KHK, nur leichter Angina pectoris und nur gelegentlicher Nitrateinnahme (sublinguales Nitroglycerin und 24-48 stündiger Abstand zum Potenzmittel) sei das Risiko hingegen wohl geringer. Dennoch sollte auch in diesen Fällen zuvor immer eine Beratung und Absprache mit dem Kardiologen erfolgen.

Quelle: Risk of Death in Patients With Coronary Artery Disease Taking Nitrates and Phosphodiesterase-5 Inhibitors; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0735109723080749?via%3Dihub

Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Lebensalter häufiger auf. Doch auch in jüngerem Alter gibt es etliche Betroffene. Und deren Zahl wächst. Bisher war nicht bekannt, welche gesundheitliche Bedeutung Vorhofflimmern bei diesen Patienten in einem Alter unter 65 Jahren hat. Eine vor kurzem publizierte Studie liefert dazu wichtige Erkenntnisse.

In dieser Studie wurden die Krankenhausdaten von fast 70.000 Patienten mit Vorhofflimmern aus einem Zeitraum von knapp zehn Jahren genutzt. Es zeigte sich, dass unter diesen überraschende viele Patienten jünger als 65 Jahre waren: insgesamt 17.335 Patienten. Etwa ein Drittel davon waren Frauen. Die Auswertung der elektronischen Krankenakten und Klinikdaten ergab dann, dass bei diesen jüngeren Patienten eine erhebliche Zahl an Risikofaktoren und Risikokrankheiten vorlag nämlich Übergewicht, Bluthochdruck (bei 55 % der Patienten), Diabetes mellitus (21 %), Herzschwäche (20 %), koronare Herzkrankheit (19 %) sowie eine obstruktive Schlafapnoe, also nächtliche Atemaussetzer (18 %) und eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung / COPD (11 %). 

Im Laufe einer Beobachtungszeit von mehr als 5 Jahren kam es vor allem wegen Herzschwäche-Problemen zu mehr als einem Krankenhausaufenthalt – das war bei knapp fünf Prozent der unter 50 Jährigen und über sieben Prozent der 50-65-Jährigen der Fall. Zudem starben 2084 der Patienten. Das waren 6,7 % der unter 50-Jährigen mit Vorhofflimmern und 13 % der 50-65-Jährigen.

Die Studienautoren verglichen zudem diese Daten mit denen einer großen Kontrollgruppe. Deren Teilnehmer waren ebenfalls jünger als 65 Jahre und hatten ähnliche Risikofaktoren, aber kein Vorhofflimmern. Dabei zeigt sich, dass Patienten mit Vorhofflimmern im Alter unter 65 Jahren eine insgesamt deutlich schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als Gleichaltrige ohne Vorhofflimmern. So war das Sterberisiko bei den unter 50-jährigen Männern um 50 Prozent erhöht, bei den gleichaltrigen Frauen sogar um mehr als das Doppelte. Bei Männern mit Vorhofflimmern im Alter von 50-65 Jahren waren das Sterberisiko um 30 Prozent und bei den Frauen dieser Altersgruppe um 70 Prozent erhöht im Vergleich zu Menschen ohne Vorhofflimmern.

Schlussfolgerung: Patienten im „besten Lebensalter“, die Vorhofflimmern haben, weisen häufig weitere gesundheitliche Belastungen (Komorbiditäten) auf und sie haben ein erhöhtes Risiko, dass Krankenhauseinweisung nötig werden und sie frühzeitig sterben. Daher sollte bei ihnen intensiv auf Lebensstiländerungen und die Behandlung der Komorbiditäten hingewirkt und auch das Vorhofflimmern selbst konsequent angegangen werden.

Quelle: Mortality, Hospitalization, and Cardiac Interventions in Patients With Atrial Fibrillation Aged <65 Years; https://doi.org/10.1161/CIRCEP.123.012143

Emotionen wie Ärger, Angst und Niedergeschlagenheit gehen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen einher wie Herzinfarkt, Schlaganfall und vorzeitigem Herztod einher. Neue Forschungsergebnisse verdeutlichen, welche  negativen Emotionen unsere Gefäße offenbar besonders belasten.

In einer Studie wurden dazu bei gesunden Erwachsenen experimentell jeweils Ärger, Angst, Niedergeschlagenheit oder eine neutrale Reaktion (Kontrolle) provoziert. Man ließ diese für acht Minuten auf die betreffenden Teilnehmer einwirken. Vor, während und nach dem Versuch wurden verschiedene Werte gemessen, die Aufschluss über die Gefäßfunktion geben, etwa die Fähigkeit zur Gefäßerweiterung (reaktive Durchblutungssteigerung). Zusätzlich wurden eventuelle Verletzungen der Gefäßinnenhaut (Endothel) anhand verschiedener molekularbiologischer Messungen erfasst. Auch Blutdruck und Herzfrequenz wurden kontrolliert.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Im Vergleich zur Kontrolle (keine emotionale Provokation) beeinträchtigte Ärger die Gefäßerweiterung deutlich.
  • Akut provozierte Angst hatte einen leichten Effekt auf die endothelabhängige Gefäßerweiterung, Niedergeschlagenheit hingegen keinen im Vergleich zur Kontrollgruppe.
  • Die molekularbiologischen Messungen ergaben keinen Hinweis, dass eine der Emotionen bleibende Schäden auslöste oder die Regeneration des Endothels bzw. der Gefäßerweiterung beeinträchtigte.
  • Ärger und Angst wirkten deutlich Blutdruck-steigernd, nicht aber Niedergeschlagenheit

Schlussfolgerung: Insbesondere Ärger, aber auch Angst, beeinflusst offenbar die Endothelfunktion und damit die Fähigkeit der Gefäßerweiterung. Treten solche Emotionen häufig und länger anhaltend auf, könnte dies für das Entstehen von Angina pectoris, Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, Herzinfarkt und plötzlichem Herztod von Bedeutung sein. Die genauen Mechanismen im Endothel müssen allerdings noch erforscht werden.

Quelle: Translational Research of the Acute Effects of Negative Emotions on Vascular Endothelial Health; https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/JAHA.123.032698

Dem Intervallfasten werden positive Effekte nicht nur bezüglich Gewichtsreduktion nachgesagt. Auch Insulinstoffwechsel und Fettstoffwechsel werden günstig beeinflusst. Ob sich dies ebenfalls günstig auf die Herzfunktion von Infarkt-Patienten auswirkt, haben Wissenschaftler aus Halle untersucht.

In der von der Deutschen Herzstiftung geförderte Studie INTERFAST-MI haben 48 Patienten nach einen akuten Herzinfarkt teilgenommen. Sie haben innerhalb von 48 Stunden – nachdem bei ihnen die Herzdurchblutung wiederhergestellt worden war – entweder mit einem Fastenplan mit 16 Stunden Essenspause oder einem normalen Essensplan begonnen. Alle erhielten zudem eine optimale medikamentöse Therapie zum Schutz vor einem erneuten Infarkt (Sekundärprävention). Von 42 Patienten liegen nun Daten vor, wie sich dieses Vorgehen auf ihre Herzfunktion ausgewirkt hat.

Danach hat sich bereits nach vier Wochen bei den Patienten der Fastengruppe die Herzfunktion – gemessen anhand der linksventrikulären Auswurfleistung (LVEF) –deutlich stärker verbessert als in der Vergleichsgruppe. Diese Differenz fiel nach drei und sechs Monaten nochmals größer aus. Außerdem wirkte sich das Intervallfasten positiv auf Blutdruck, Körpergewicht und das LDL-Cholesterin aus. Negative Effekte wurden nicht festgestellt.

Schlussfolgerung: Intervallfasten nach einem Herzinfarkt kann sich offenbar günstig auf die Herzleistung auswirken und zur Erholung des Herzens beitragen. Es ist zudem sicher. Dieser Effekt muss allerdings nun an einer größeren Zahl von Patienten bestätigt werden. Ebenso ist zu klären, ob dies dann langfristig die Prognose der Herzinfarktpatienten verbessert.

Quelle: INTERFAST-MI Studie: Intermittent Fasting After ST-Segment– Elevation Myocardial Infarction Improves Left Ventricular Function; https://doi.org/10.1161/CIRCHEARTFAILURE.123.010936

Der Wirkstoff Semaglutid, ein GLP-1-Analogon, der bei Diabetes mellitus und zur Gewichtsreduktion genutzt wird, verbessert offenbar nicht nur die Symptome einer Herzschwäche mit erhaltener Auswurfleistung (HFpEF). Er reduziert auch den Bedarf an Entwässerungstabletten, die diese Patienten einnehmen, wie Studiendaten nahelegen. +++  Covid-Impfung ist offenbar für Patienten mit Herzschwäche besonders vorteilhaft. In einer koranischen Studie hatten geimpfte Herzinsuffizienz-Patienten eine deutlich bessere Lebenserwartung als Ungeimpfte. +++ Yoga sorgt bei Patienten mit Herzschwäche für eine Verbesserung ihrer Symptome. Studienteilnehmer konnten mit 50 Minuten Yoga pro Woche nach sechs Monaten zum Beispiel wieder besser Treppensteigen. 

Quelle: Pressemitteilung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vom 7.5.2024

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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
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