„Männer! Hört auf Eure Frauen!“
Ein kalter Januarmorgen in Hamburg im Jahre 1988. Ich bin auf einem kurzen Fußmarsch von meinem Hotel zu einem Kongress, bei dem ich einen Vortrag halten soll. Plötzlich ein stechender Schmerz im Brustbereich. Luftnot! Ich bleibe stehen, die Luft kommt wieder, der Schmerz ist weg. Alles paletti!
Nach dem Vortrag Taxifahrt zum Flughafen und Rückflug nach Frankfurt. Mit dem Auto geht’s nach Weiterstadt bei Darmstadt. Ich esse zu Mittag, nehme ein Prise Schlaf und fahre nach Stuttgart zur „Woche der Druckindustrie“, wo nochmals ein Vortrag auf dem Programm steht. Meine Frau hält mich für total verrückt und prophezeit den totalen KO. (Ich kann nur sagen: Männer! Hört auf Eure Frauen!)
Bei einem Hausarztbesuch erzähle ich die Hamburg-Story. Der Doktor stellt fest, dass ich ein verrückter Kerl sei, verschreibt Beruhigungspillen und empfiehlt, zwei Gänge runterzuschalten. Leichter gesagt, als getan. Denn ich empfinde meine Tätigkeit keineswegs als stressig; sie macht mir Freude.
Der Zusammenbruch folgt wenige Wochen später, am Karfreitag. Ich arbeite im Garten. Wieder durchzuckt mich ein fürchterlicher Schmerz in der Brust; ich werde ohnmächtig. Die Notarztversorgung ist damals längst nicht so gut organisiert wie heute. So verbringe ich Ostern mehr oder weniger liegend. Am Dienstag geht’s zum Hausarzt, der überweist mich ins Krankenhaus und dort wird nach einigen Untersuchungen ein Herzinfarkt diagnostiziert.
Herzinfarkt mit 54 Jahren
Herzinfarkt? Ich? Unmöglich! Ich bin 54 Jahre, war nie ernstlich krank, bin Nichtraucher und habe kaum Übergewicht. Sind es die Gene? Meine Mutter ist bereits mit 54 Jahren gestorben, ihr Bruder sogar mit 39 Jahren.
Im Krankenhaus werde ich stabilisiert und in die Reha überwiesen. Die Kraft kehrt zurück. Ich habe Glück. Der Chefarzt überweist mich in die Uniklinik Frankfurt. „Dort arbeiten einige der besten Kardiologen, und dort ist auch Prof. Kaltenbach, einer der Väter der Deutschen Herzstiftung. Der wird Ihren Arterienverschluss öffnen.“ Prof. Kaltenbach? Sagt mir nichts! Schau’n mer mal!
Die Kathetertechnik steckt noch in den Kinderschuhen. Nur Unikliniken und einige große Krankenhäuser können entsprechende Untersuchungen durchführen. Nach mehrwöchigen Vorbereitungen und Tests erfolgt im August eine Katheteruntersuchung durch Prof. Dr. Becker, den späteren Vorsitzenden der Deutschen Herzstiftung. Ich habe Angst. Und entsprechend ist das niederschmetternde Ergebnis: „Die Erfolgsaussichten einer Dilation sind nicht sehr hoch.“ War’s das?
Immer viel unterwegs
Ich bin Schriftsetzermeister mit langer Praxiserfahrung. Seit 1978 bin ich Fachberater im Marketing eines Unternehmens, das weltweit Marktführer für Satzsysteme ist. Der Schreibtisch ist nicht mein Ding, stattdessen bin ich viel unterwegs, löse Probleme bei Kunden, unterstütze den Vertrieb, bin Ansprechpartner der Entwicklungsingenieure in Sachen Druck und informiere die Fachwelt bei Vorträgen und Seminaren über neue Technologien. Das nicht nur in Deutschland, sondern auch in der DDR, in der Schweiz, in Österreich und jedes Jahr bei einem Kongress in Tschechien. Und selbstverständlich entstehen zahlreiche Fachaufsätze. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew’ger Bund zu flechten.
Trotz der schlechten Erfolgsaussichten erhalte ich einen Dilatationstermin in der Uniklinik, rücke ein, mache es mir im Bett bequem und versuche, die Angst zu unterdrücken. Eine Schwester erscheint: „Sie dürfen wieder nach Hause. Herr Prof. Kaltenbach will Sie selbst behandeln, aber er ist in Amerika.“ Tolle Terminplanung!
Im Dezember erfolgt die Dilatation durch Prof. Kaltenbach. „Alles klar?“ So eine Frage. Mitnichten. Ich zittere vor Angst, die jedoch schnell schwindet, als der Professor mit seiner Arbeit beginnt. Auch als Laie merke ich, dass sich bei ihm lange Erfahrung, sicheres Handling und höchste Fachkompetenz vereinen. Auszug aus dem Protokoll: „Mit einem Führungsdraht wird der Verschluss geöffnet. Dann wird ein 2 mm Ballon und danach ein 3 mm Ballon über den Verschlussbereich vorgeschoben und die Dilatation durchgeführt.“
Alles wird gut! Ich werde Mitglied der Deutschen Herzstiftung
Acht Wochen später. Wir sind zum Langlauf im Bayerischen Wald. Jede Menge Pulverschnee, gut gespurte Loipen, herrlicher Sonnenschein. Im Loipenstübl schmeckt die Weißwurst, das Bier zischt. Alle Herzinfarkte, Ärzte und Unikliniken sind weit weg. Doch leider nur bis zur zweiten Woche. Ich erwache nachts durch erneute Brustschmerzen, wie vor einem Jahr in Hamburg, nur schlimmer.
Am Morgen Anruf in der Uniklinik. „Lassen Sie sich von Ihrer Frau nach Hause fahren, wir reservieren ein Bett.“ Mein Eindruck: Die Dame am Telefon ist nicht überrascht; offenbar bin ich nicht der einzige Pechvogel. So bin ich im Februar 1989 erneut in der Uni. Der behandelnde Arzt stellt fest, dass sich die dilatierte Stelle erneut nahezu geschlossen hat und dilatiert neu. Alles paletti?
Keineswegs! Im Mai wiederholen sich die Probleme. Wieder in die Uni. Jetzt behandelt mich ein anderer Arzt. Wieder hat sich die Arterie an der gleichen Stelle fast geschlossen. Gleiches Spiel im August. Erneut wird dilatiert. Der Arzt drückt zwei Minuten. „Geht es Ihnen gut?“ „Ja!“ „Dann drücke ich nochmals zwei Minuten und versuche, das Gefäß kaputtzudrücken.“ Das war’s. Ursache allen Übels: 1989 gibt es noch keine Stents.
Und das Unglück schreitet schnell …
Sieben Jahre später. Nach neuen Beschwerden lande ich 2006 im Klinikum Darmstadt. Größere Krankenhäuser haben jetzt Katheterlabore und gut ausgebildete Ärzte. Endlich gibt es Stents. Bei drei Klinikaufenthalten in kurzen Abständen werden mehrere Arterien dilatiert und fünf Stents gesetzt.
Friede, Freude, Eierkuchen? Jedenfalls bis 2012. Ich falle zu Hause um. Diagnose: Herzinfarkt. Die Dilatation mit Implantation von zwei weiteren Stents erfolgt erneut in Darmstadt. Zusätzlich erhalte ich einen Schrittmacher mit ICD (Defibrillator).
Wie ein Sechser im Lotto
Wieder neun Jahre später. Mein langjähriger Internist hat sich in den Ruhestand verabschiedet, arbeitet jedoch während einer Übergangszeit in der Kardiologie Griesheim. Ich lande ebenfalls dort. Ein Glücksfall! Denn die beiden dortigen Kardiologen und Internisten arbeiten in Früh- und Spätschicht und stehen somit (fast) immer zur Verfügung. Selbst in der Urlaubszeit ist die Praxis geöffnet.
Noch wichtiger: Jeweils ein Arzt arbeitet mittwochs und freitags im Katheterlabor der Asklepios-Klinik in Langen, vor den Toren Frankfurts. Eine bessere Konstellation ist für Patienten kaum denkbar, besonders wenn auch noch die menschliche „Chemie“ stimmt.
Als wieder Beschwerden auftreten, werde ich im Dezember 2021 wieder dilatiert. Zwei weitere Stents werden implantiert und der Schrittmacher wird wegen Batterieerschöpfung ausgetauscht.
Inzwischen bin ich 88 Jahre. Nach dem Tode meiner Frau bin ich allein für den Haushalt verantwortlich und versuche mich als Koch – mehr schlecht als recht. Eine tägliche Fahrradrunde von 1 bis 1,5 Stunden (kein E-Bike) hält mich fit. Bei schlechtem Wetter trete ich einige Kilometer auf dem Ergometer.
Mein Selbstwertgefühl wird immer dann leicht angekratzt, wenn mich eine junge Frau mühelos überholt. Das Alter? Selbst Dottores werden durch das Alter ausgebremst. Und Biontech hat leider noch keinen Anti-Oldi-Impfstoff entwickelt.
Kompetenz für Ihr Herz
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Danke!
Wir möchten uns herzlich bei Eberhard F. bedanken, dass er uns an seiner persönlichen Herzerkrankung teilhaben lässt. Bitte beachten Sie, dass die in den Patientengeschichten enthaltenen Informationen keine ärztliche Diagnose oder Behandlung ersetzen. Sie dienen ausschließlich einem informellen Austausch und sollen weder zur Selbstdiagnose noch zur Selbstbehandlung auffordern.
Informationen, die helfen
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Koronare Herzkrankheiten und Herzinfarkt (2020)
PDF: 8,62 MB
Ich komme aus dem Leistungssport Schwimmen. Durch Zufall und die Untersuchung in der Sportmedizin Frankfurt wurde bei mir ein Vorhofflimmern vor vielen Jahren festgestellt. Wenn ich viel trainierte, ging es mir gut, aber bei wenig Training schlecht. Inzwischen bin 82 Jahre geworden. Zwischendurch durfte ich bei den Medizinern im Rahmen der Sportmedizin sogar Sport unterrichten! Es bereitete mir sehr viel Freude. Die Praxis ist sehr wichtig. Jeder will Alt werden, aber keiner Alt sein.
Es ist nicht einfach, aber der Mensch ist geboren, um sich zu bewegen!!!!!
Bei mir wurden 2016 eine Herzinsuffizienz (mit 40 % Herzleistung), Vorhofflimmern, Extrasystolen und COPD diagnostiziert. Mein Hausarzt riet mir zu einer Ablation. Zunächst Kryotherapie der Pulmonalvene. Nach sechs Wochen wurden die Extrasystolen mit Strom in einer weiteren Ablation in Angriff genommen. Leider bekam ich nach dem Eingriff eine Lungenentzündung. Ein Erfolg stellte sich nicht ein. Ich bekam dann Amiodaron 200 mg hochdosiert über 5 Tage bis Sättigung erreicht war. Danach eine Erhaltungstherapie mit einer Tablette täglich.
Nach einem halben Jahr revoltierte die Schilddrüse. Das Amiodaron wurde abgesetzt.
Nach einem Jahr war das Vorhofflimmern wieder stärker. Mein Hausarzt überwies mich in die Klinik. Mein Glück war, dass ich in die Hände einer kompetenten, menschlich optimalen Oberärztin kam. Sie machte einen Herzkatheter und setzte zwei Stents. Sie schlug eine weitere Ablation vor. Nach dem Eingriff bekam ich diesmal eine Infusion, damit das Wasser aus meinem Körper weg war und ich keine Lungenentzündung bekomme. Leider war auch dieser Eingriff nicht erfolgreich. Selbst nach fünfmaliger Kardioversion kein Sinusrhythmus. Sie schickte sie mich dann zunächst einmal nach Hause.
Nach 4 Wochen bei der Nachkontrolle hatte sich der Erfolg eingestellt. Ich hatte einen Sinusrhythmus! Leider war mein Blutdruck unter dem Einsatz von Betablockern sehr wechselhaft und der Puls sehr langsam. Meine Oberärztin schlug daher einen Herzschrittmacher vor.
Das war ein durchschlagender Erfolg. Seitdem habe ich keine Episoden von Vorhofflimmern mehr. Mir geht es wesentlich besser. Unter diesen Umständen ist das Leben trotz Herzerkrankung wieder schön!