Ein sogenannter AV-Block zählt zu den häufigen Herzrhythmusstörungen. Leichte Ausprägungen bleiben meist unbemerkt und sind ungefährlich. Bei Funktionsausfall des AV-Knotens wird der Herzschlag jedoch gefährlich verlangsamt. Im Extremfall droht ein Herzstillstand.
Der AV-Knoten: Wichtiger Regler im Herzen
Der Sinusknoten ist der Taktgeber des Herzens. Der AV-Knoten sorgt dafür, dass die Vorhöfe und die Hauptkammern des Herzens mit kurzer zeitlicher Versetzung nacheinander schlagen können. Er verzögert – nachdem die Vorhöfe geschlagen und so die Ventrikel prall gefüllt haben – den elektrischen Impuls, sodass die Hauptkammern optimal arbeiten können. Die geregelte Weiterleitung von elektrischen Impulsen sorgt also dafür, dass Vorhöfe und Kammern koordiniert im Takt schlagen. Dieser Vorgang ist hochkomplex und störanfällig.
Die Natur hat im Herzen „Regler“ eingebaut, die elektrische Impulse auslösen und koordiniert weiterleiten. Der erste Regler ist der Sinusknoten. Er gilt als primärer Schrittmacher, denn er sendet die elektrischen Signale aus, die dann von Zelle zu Zelle über das Reizleitungssystem des Herzens laufen, bist das Herzmuskelgewebe soweit aktiviert ist, dass sich der Vorhof zur Pumpbewegung zusammenzieht – im Ruhezustand etwa 60-70 Mal in der Minute. Dieser Rhythmus heißt daher auch Sinusrhythmus.
Bevor allerdings die Erregungsimpulse die Herzkammer erreichen, passieren sie den Atrioventrikular-Knoten, kurz AV-Knoten. Das ist ein Bereich aus dichten, bindegewebsreichen Muskelfasernetzen im rechten Vorhof nahe an der Grenze zur Herzkammer. Diesem Knotenpunkt kommt eine wichtige Bedeutung zu, nämlich die Impulse zu verzögern und dann über weitere Erregungsleitungsbahnen (His-Bündel, Tawaraschenkel und Purkinje-Fasern) ordentlich über den ganzen Kammerbereich bis in die äußeren Herzmuskelzellen zu verteilen. Dies sorgt dafür, dass sich zunächst der Vorhof und dann die Herzkammer zusammenzieht.
Als sekundärer Schrittmacher ist der AV-Knoten auch eine Art „Back-up“ für den Fall, dass der Sinusknoten ausfällt. Die Frequenz ist dann etwas geringer als der Sinusrhythmus (40-60 Impulse pro Minute).
Darüber hinaus hat der AV-Knoten auch eine Art Wächterfunktion. Treffen nämlich Erregungen mit zu hohen Frequenzen aus den Vorhöfen im AV-Knoten ein – wie das zum Beispiel beim Vorhofflimmern der Fall ist – dann lässt der AV-Knoten nicht alle Impulse zu den Herzkammern durch, er filtert sie quasi zur Senkung der Schlagfrequenz. Dadurch schützt er die Herzkammern vor einer unkoordinierten Aktivierung und Überreizung.
Symptome einer gestörten Funktion des AV-Knotens
Bei einer geringgradig gestörten Überleitung von Reizen aus dem Vorhof bemerken Betroffene gar nichts. Nimmt die Blockade zu, zeigt sich die Herzrhythmusstörungen durch ein Gefühl von Herzstolpern (Palpitationen) und Luftnot (Dyspnoe). Das kommt dadurch zustande, dass einzelne Herzschläge ausfallen. Bei vielen Betroffenen wird ein AV-Block eher zufällig beim Pulsmessen oder Abhören des Herzens entdeckt, wenn dabei „Aussetzer“ oder ein sehr langsamer Herzschlag auffallen.
Bei einer höhergradigen oder kompletten Blockade kann sich die Herzfrequenz allerdings so deutlich reduzieren, dass Betroffene sehr schnell außer Atem kommen, sich insgesamt geschwächt und wenig belastbar fühlen und zu Schwindelattacken neigen. Wird der Herzschlag zu langsam, treten kurzzeitige Bewusstlosigkeit auf (kardiale Synkopen), auch Adams-Stokes-Anfall genannt. Im schlimmsten Fall – falls sich kein Ersatzrhythmus in der Herzkammer (mehr) aufbaut, kommt es zum Herzstillstand.
Wie der AV-Block diagnostiziert wird: Die Rolle des EKG
Diagnostizieren lässt sich ein AV-Block, seine Lokalisation und sein Schweregrad meist anhand eines EKG (Elektrokardiogramm). Die verzögerte Erregungsweiterleitung zeigt sich dabei in typischen Unregelmäßigkeiten der EKG-Struktur. Je nach Form und Schwere des AV-Blocks ist die EKG-Welle markant verändert: EKG-Welle aus dem Vorhof (P-Welle) und die aus der Herzkammer (QRS-Komplex) treten weiter auseinander. Bei Unklarheiten ist mitunter ein Belastungs- und Langzeit-EKG nötig.
Eine besondere Form der elektrophysiologischen Untersuchung ist das His-Bündel-EKG. Bei dieser intrakardialen Methode werden die Aktionspotenziale über in das Herz vorgeschobene Elektrodenkatheter aufgezeichnet. Dies ist gelegentlich nötig, um eine AV-Blockade genauer einschätzen und die weitere Therapie festlegen zu können.
Anschließend wird mit Labortests (etwa der Elektrolyte und Schilddrüsenhormone) und bildgebenden Untersuchungen wie einer Echokardiographie (Herzultraschall) oder einem Herzkatheter nach den möglichen Ursachen – funktionell oder strukturell – gesucht. Diese können reversibel sein oder auf vorhandenen Herzschäden beruhen. Wichtig ist auch, nach Medikamenten zu fahnden, die einen AV-Block verschlimmern können.
Die drei Schweregrade eines AV-Blocks
Das Ausmaß der blockierten AV-Knoten-Funktion wird in drei Schweregrade unterteilt
- Grad 1: Die Überleitung der Impulse zwischen Vorhöfen und Herzkammer funktioniert noch, ist aber verzögert. Daher gibt es keine Beschwerden oder Symptome.
- Grad 2: Es besteht eine teilweise Leitungsblockade. Somit wird nur ein Teil der Impulse aus den Vorhöfen auf die Herzkammer übertragen. Hier wird noch differenziert in Typ Wenckebach und in den Typ Mobitz. Beim Mobitz-Block sitzt die Störung näher an den Herzkammern, er entspricht also einer höhergradigen Blockade.
- Grad 3: Die Überleitung ist völlig blockiert (kompletter AV-Block). Die Kammer entwickelt dann in der Regel ihren eigenen (Ersatz-)Rhythmus. Die Folge: Vorhof und Kammer arbeiten unkoordiniert und kontrahieren sich unabhängig voneinander.
Wenn sich die Erregung im Kreis dreht
Eine weitere Störung des AV-Knotens ist die AV-Reentry-Tachykardie (AVRT). Sie betrifft meist jüngere, herzgesunde Menschen, kann aber auch angeboren sein. Sie entsteht, wenn zwei Leitungsbahnen im AV-Knoten vorliegen, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit die elektrischen Impulse weiterleiten. So kann es vorkommen, dass eine Bahn den Impuls vom Vorhof zur Kammer (also in der richtigen Richtung) leitet, die andere Bahn den gleichen Impuls aber postwendend wieder aus der Kammer zurück in den Vorhof, so dass die Erregung kreist – mitunter bis zu Stunden (Reentry). Betroffene erleben dies als plötzlich auftretendes anfallartiges Herzrasen mit bis zu 220 Schlägen pro Minute, das aber ebenso schnell auch wieder aufhört.
Beim Wolff-Parkinson-White (WPW)-Syndrom besteht von Geburt an eine zusätzliche Erregungsleitung zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln. Viele Patienten können durch Pressen in den Bauch oder durch Trinken eines kalten Glases Wassers den schnellen Puls selbst beenden.
Was zu den Ursachen des AV-Blocks bekannt ist
Die Ursachen für einen AV-Block sind vielfältig. So kann ein niedriggradiger AV-Block im Rahmen einer physiologisch niedrigen Herzfrequenz (Bradykardie) auftreten, wie sie beispielsweise häufig bei jungen Menschen und Sportlern mit einem starken Vagustonus (= Parasympathikus; sorgt für körperliche Entspannung/Verdauung) vorliegt. Bei höhergradigen Blockaden liegen hingegen meist strukturelle Schäden am Herzen vor, die das Reizleitungssystem beeinträchtigen. Häufig sind das fibrotische Veränderungen, also Umbauprozesse im Herzgewebe. Solche Umbauprozesse treten typischerweise im Zusammenhang mit einer ischämischen Herzkrankheit auf, insbesondere einer koronaren Herzerkrankung (KHK) oder infolge eines Herzinfarktes.
Außerdem kann ein AV-Block Folge einer entzündlichen Herzerkrankung sein, etwa einer Endokarditis oder Myokarditis. Die Borreliose ist wichtiger Vertreter in dieser Gruppe. Zu den nicht-entzündlichen Ursachen gehören beispielsweise sogenannte Kardiomyopathien (diverse Krankheiten des Herzmuskels) , eine Amyloidose und eine myokardialer Dystrophie (Herzmuskelschwund) sowie kardiale Tumoren und Zysten.
Ein AV-Block kann sich zudem – vorrübergehend oder dauerhaft – als Komplikation nach einer Operationen am offenen Herzen oder einer Herzkatheter-Intervention zeigen. Und auch eine erbliche Veranlagung kann Ursache einer Reizleitungsstörung sein, die den AV-Block verursacht.
Und gar nicht so selten ist das Auftreten eines AV-Blocks auf die Einnahme von Medikamenten zurückzuführen. Hierzu zählen Substanzen, die die Überleitungszeit am AV-Knoten verlangsamen, wie Betablocker, einige Calcium-Antagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ (etwa Verapamil), Herzglykoside (Digitalis), psychoaktive Substanzen wie trizyklische Antidepressiva oder auch Antiarrhythmika.
Risikofaktoren für einen AV-Block
Das Entstehen eines AV-Blocks wird durch Faktoren begünstigt, wie sie auch für die koronare Herzkrankheit bekannt sind. Dies sind vor allem:
- ein höheres Alter
- das männliche Geschlecht
- Bluthochdruck
- Rauchen
- Diabetes
- starkes Übergewicht (Adipositas)
- vorbestehende Herzerkrankungen
- außerdem: ein erhöhter Vagustonus und Bradykardie sowie eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Wie wird ein AV-Block behandelt?
Patienten mit einem AV-Block 1. Grades und auch 2. Grades vom Typ Wenkebach benötigen in der Regel keine Therapie solange sie keine Symptome zeigen oder besondere kardiale Risikofaktoren vorliegen. Sie sollten aber regelmäßig ihr Herz untersuchen lassen, damit ein Fortschreiten des AV-Blocks frühzeitig erkannt wird. Medikamente, die das Herz verlangsamen (siehe oben), sollten vermieden werden. Bestehen Symptome und eine höhergradige Blockade hängt das weitere Vorgehen von der zugrundeliegenden Ursache ab.
Liegt zum Beispiel der Verdacht nahe, dass ein Medikament die Ursache ist, erfolgt eine Therapieumstellung. Wird eine Störung des Elektrolythaushalts wie eine Hyperkaliämie festgestellt, steht ein Absenken des Kaliumspiegels im Vordergrund. Oder wird eine Schilddrüsenunterfunktion als Ursache angesehen, wird eine Hormontherapie eingeleitet. Herzerkrankungen werden natürlich ebenso versucht, optimal zu behandeln.
Bei einem AV-Block 2. Grades Typ Wenkebach mit Symptomen und bei ausgeprägterer Blockade, wenn sich die Ursachen nicht beseitigen lassen, ist die Implantation einen Herzschrittmachers die wichtigste Option. Nach den Leitlinien wird die Implantation bei einem AV-Block 2. Grades vom Typ Mobitz und einem AV-Block 3. Grades unabhängig davon empfohlen, ob Symptome vorliegen oder nicht, um einem plötzlichen Herztod vorzubeugen. Die Implantation des Herzschrittmachers kann die Funktion des AV-Knoten vollständig übernehmen.
Experte
Prof. Dr. med. Heribert Schunkert, Kardiologe und Direktor der Klinik für Erwachsenenkardiologie am Deutschen Herzzentrum München, Schwerpunkte: Interventionelle Kardiologie und Hypertensiologie sowie Molekularbiologie und Genetik von Herzerkrankungen, seit 2018 Vorstandsmitglied und seit 2021 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.