Patienten mit einem Schlaganfall erleiden häufig auch Komplikationen am Herzen, die früh festgestellt und behandelt werden sollten. Doch der dahinterstehende Mechanismus ist in der Akutsituation schwierig zu erkennen und eine gute diagnostische Methode fehlte bisher. Nun zeigt sich hier offenbar ein Weg auf – und zwar durch die Bestimmung des Proteins Troponin_T.
Das in einer Blutprobe bestimmbare Protein Troponin-T ist aktuell der empfindlichste Marker, einen Schaden am Herzmuskel – etwa bei einem Herzinfarkt – zu erfassen. Nachweislich finden sich erhöhte Werte auch bei vielen Schlaganfall-Patienten. So sind erhöhte Troponin-Werte bei jedem 2. Schlaganfall-Patienten vorhanden, bei jedem 7. sind sie sogar so stark erhöht, dass eigentlich eine zusätzliche Herzdiagnostik durchgeführt werden sollte. Tatsächlich wird das aber nur bei wenigen Schlaganfallpatienten bislang gemacht. Ob hier daher die Herzkatheter-Untersuchung (Koronarangiographie), wie sie bei Patienten mit Brustschmerz und erhöhten (oder deutlich ansteigenden) Troponinwerten routinemäßig eingesetzte wird, Sinn macht, haben nun Wissenschaftler der Charité in Berlin untersucht.
Jeder fünfte Schlaganfallpatient hatte einen thrombotischen Herzinfarkt
Konkret haben in der vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Krankheiten (DZHK) und vom Deutschen Zentrum für Neurologische Erkrankungen (DZNE) geplanten und durchgeführten Studie (Studie PRAISE-DZHK19) Kardiologen und Neurologen gemeinsam 254 Patienten mit akutem Schlaganfall und deutlich erhöhten Troponin-Werten (> 52ng/L) eingehend kardiologisch und neurologisch untersucht. Überraschend fand sich bei 20 Prozent der Patienten ein sogenannter Typ-1-Herzinfarkt (Herzinfarkt mit ST-Streckenhebung, STEMI), der durch den Verschluss eine Herzkranzgefäßes durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) bei Vorliegen einer Koronargefäßeinengung verursacht wird. Nach den Ergebnissen dieser Studie liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Typ-1-Infarkt vor, wenn die eingangs gemessenen Troponin-Werte über das 5-fache der Norm erhöht sind. Kein eindeutiger Zusammenhang konnte zwischen ansteigenden Troponinwerten und einem zusätzliche vorliegenden Herzinfarkt festgestellt werden.
Empfehlung zur routinemäßigen Troponin-Messung bei Schlaganfall
Bei weiteren 30 Prozent der Schlaganfall-Patienten bestand ein sogenannter Typ-2-Herzinfarkt, d.h. ein Herzinfarkt durch ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch des Herzmuskels. Bei dieser Form findet sich kein thrombotischer Verschluss eines großen Herzkranzgefäßes.
Die Wissenschaftler schließen aus diesen Daten, dass bei allen Schlaganfall-Patienten stets auch die Troponin-Werte erfasst werden sollten. Und bei deutlich erhöhten Werten – insbesondere, wenn diese um mehr als das 5-fache über der Norm erhöht sind – sollte eine weitere Herzdiagnostik erfolgen. Diese besteht dann in aller Regel in einer Herzkatheteruntersuchung, bei der zugleich die Möglichkeit besteht, das thrombotisch verschlossene Koronargefäß wieder zu eröffnen und einen Stent zu implantieren. Bei Patienten mit Typ-2-Infarkt ist wiederum eine Herzüberwachung und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie angeraten.
Nolte CH, von Rennenberg R, Litmeier S, et al. Type 1 Myocardial Infarction in Patients With Acute Ischemic Stroke. JAMA Neurol. Published online June 03, 2024. doi:10.1001/jamaneurol.2024.1552
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
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Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt (2022)
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