(Frankfurt a. M., 19. November 2024) Zwei Drittel der Jugendlichen in der EU konsumieren Energy-Drinks. Der süße Geschmack und ein gezieltes Marketing machen die Getränke in dieser Altersgruppe besonders beliebt. Viele Ärzte und Ernährungsexperten sehen die Entwicklung mit Sorge. Neben dem hohen Zuckergehalt gilt vor allem das enthaltene Koffein als bedenklich. Aktuelle Studien, etwa zu den Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System der jungen Konsumenten, stützen die Bedenken.
Dr. Felix S. Oberhoffer von der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin am LMU Klinikum München beschäftigt sich seit Jahren mit der Materie, hat gemeinsam mit Kollegen eine von der Deutschen Herzstiftung unterstützte Studie dazu unternommen und war an internationalen Forschungsprojekten beteiligt.
Der Blutdruck steigt schon nach einem Energy-Drink messbar an
Seine EDUCATE-Studie („Energy-Drinks: Unexplored Cardiovascular Alterations in TEens and TwEens“) (1) ergab: Bei gesunden Jugendlichen steigt schon nach dem Konsum einer gewichtsadaptierten Menge eines Energy Drinks (= knapp 100 ml Energy Drink pro 10 kg Körpergewicht) zeitweise der Blutdruck an und der Herzrhythmus kann sich verändern. Aufgrund der Studienergebnisse lautet Dr. Oberhoffers persönlicher Rat: „Kindern und Jugendlichen sollte vom Konsum von Energy Drinks abgeraten werden, insbesondere dann, wenn ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, etwa eine abgeheilte Herzmuskelentzündung, ein korrigierter angeborener Herzfehler, Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht vorliegen, oder beispielsweise ein ADS-Medikament genommen wird.“ Weitere Infos unter https://herzstiftung.de/risiko-energy-drinks
Herzspezialist: „Die Dosis macht das Gift!“
Außerdem sollten die jungen Konsumenten über die Gesundheitsrisiken und den verantwortungsbewussten Umgang mit den Getränken besser aufgeklärt werden. Als Beispiele nennt Dr. Oberhoffer: „Nur mäßigen Konsum, nicht gleichzeitig mit Alkohol und nicht vor oder während sportlicher Betätigung.“
Auch Prof. Dr. KR Julian Chun, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung und Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB), Frankfurt am Main, spricht sich für mehr Aufklärung der jungen Menschen aus. Stress und exzessive körperliche Aktivität könnten negative gesundheitliche Auswirkungen der Drinks verstärken, warnt er. Es gelte wie häufig im Leben: „Die Dosis macht das Gift!“
Zwei Dosen eines Energy-Drinks sind für Teenager oft schon über dem Limit
Doch ab welcher Dosis besteht Gefahr? Eine 250-ml-Dose eines Energy Drinks enthält im Schnitt etwa 80 mg Koffein. Dies ist etwa dreimal so viel, wie in der gleichen Menge der meisten normalen Cola-Getränke enthalten ist. Bei Kindern und Jugendlichen sollte jedoch der Konsum von maximal 3 mg Koffein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag nicht überschritten werden, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Für die Praxis heißt das: Schon mit einem halben Liter eines Energy-Drinks liegt ein Teenager mit 50 kg Körpergewicht über diesem Limit. Viele Kinder und Jugendliche konsumieren im Alltag deutlich mehr der Süßgetränke.
Folgen können neben Herzrasen, Schlaflosigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden auch die in der EDUCATE-Studie nachgewiesenen Blutdruck-Erhöhungen und Veränderungen des Herzrhythmus sein. „Möglicherweise verstärken weitere Inhaltsstoffe der Energy-Drinks wie Guarana oder Taurin die ungünstigen Wirkungen sogar noch“, warnt der Kardiologe und Chefarzt für Kardiologie Prof. Chun. Neue Studiendaten lassen diesen Schluss zu.
Konsum mit vorgeschädigten Herzen: Tragischer Todesfall gab Anstoß für die Studien
Gefährlich kann dies vor allem bei einem vorgeschädigten Herzen sein. Dies schließt der Klinikarzt Dr. Oberhoffer aus einem tragischen Fall vor einigen Jahren. Eine 16-jährige Schülerin kollabierte im Unterricht aufgrund einer Herzrhythmusstörung. Sie hatte keinen Puls mehr, konnte zunächst reanimiert werden, starb aber einige Tage später in der Klinik (1).
Es stellte sich heraus, dass sie unbemerkt eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) durchgemacht hatte. Ihr Herz war dadurch vorgeschädigt. In den drei Tagen vor dem Zusammenbruch hatte die Schülerin auf eine Prüfung gelernt und ein Referat vorbereitet, sehr wenig geschlafen und große Mengen an Energy-Drinks konsumiert.
Das Mädchen war an Dr. Oberhoffers Abteilung am LMU Klinikum München, behandelt worden. Er fragt sich seitdem: Was hat der exzessive Konsum der Energy-Drinks zu dem tragischen Ausgang beigetragen? Wahrscheinlich habe die Herzmuskelentzündung den entscheidenden Anteil gehabt, sagt Dr. Oberhoffer: „Bereits die Myokarditis allein ist mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Rhythmusstörungen assoziiert.“ Doch er ist auch überzeugt: „Dieses Risiko wird potenziell durch den simultanen Konsum größerer Mengen von Energy-Drinks weiter verstärkt!“
Besonders gefährlich: Exzessiver Konsum in Verbindung mit Alkohol, Sport, Stress
Der tragische Todesfall war ein Anlass für ihn, die Auswirkungen der koffeinhaltigen Süßgetränke auf das Herz-Kreislaufsystem von Jugendlichen in eingehenderen Studien wie EDUCATE zu prüfen. Eine internationale Literaturrecherche (2), an der er ebenfalls beteiligt war, bestätigt, dass vor allem der exzessive Konsum von Energy-Drinks in Verbindung mit Triggerfaktoren (Sport, Alkohol, Stress) und Vorerkrankungen das Herz, aber auch andere Organe wie Niere und Gehirn von Jugendlichen gefährden kann.
Verkaufsverbot von Energy-Drinks an Minderjährige?
Verschiedene Ärzte und Organisationen sprechen sich aufgrund der aktuellen Daten für eine Altersgrenze für den Kauf von Energy-Drinks aus. Ein Verkaufsverbot für Energy-Drinks an Minderjährige gibt es z.B. in Litauen und Lettland. Dr. Oberhoffer befürwortet dies auch bei uns. Denn, so argumentiert er, die EDUCATE-Studie zeige, dass bereits die als „unbedenklich“ betrachtete Dosis an Koffein in dieser Altersgruppe sich ungünstig auf das Herz-Kreislauf-System auswirke.
Bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (3) erhielt Oberhoffer Unterstützung von Prof. Dr. Nikolaus Haas, Klinikdirektor der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin an der LMU München. Und auch die Verbraucherzentralen in Deutschland fordern schon länger ein Verkaufsverbot an Minderjährige von Getränken, die mehr als 150 mg Koffein pro Liter enthalten.
Nach Ansicht anderer Experten rechtfertigen die bisherigen Erkenntnisse jedoch einen solchen Schritt bei uns (noch) nicht (4). Zurzeit sind in Deutschland in einem Erfrischungsgetränk 320 mg Koffein pro Liter erlaubt – dieses Limit schöpfen die Hersteller der Energy-Drinks in der Regel voll aus. Doch ab 150 mg Koffein pro Liter ist ein Warnhinweis Pflicht, dass das Getränk für Kinder sowie schwangere und stillende Frauen nicht geeignet ist.
Auch Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor Gesundheitsrisiken
Im Übrigen hat auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits vor Gesundheitsrisiken für Herz und Kreislauf von Kindern durch den übermäßigen Konsum von Energy-Drinks gewarnt (5). Für „gesunde Erwachsene“ bestehe allerdings nach Studienlage bei einem moderaten Konsum innerhalb der EFSA-Grenzwerte (200 mg Koffein als Einzeldosis, bis zu 400 mg/Tag) „kein gesundheitliches Risiko“, so das BfR.
Service
Zusätzliche Infos über aktuelle Studien und Empfehlungen zu Energy-Drinks finden Sie in verschiedenen Beiträgen auf der Herzstiftungs-Website: /risiko-energy-drinks
Experte
Prof. Chun ist Chefarzt der Kardiologie, Medizinische Klinik III, Markuskrankenhaus, Frankfurt am Main.
Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung,
Außerdem ist er Mitglied des EHRA Boards (European Heart Rhythm Association) und im Gründungskomitee des #PULSEDAY.
Experte
Dr. Felix S. Oberhoffer, Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, LMU Klinikum München
Kontakt
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