Erwachsene und Kinder mit schwerer Herzschwäche: Medikamente, Herzunterstützungssystem, Herztransplantation – was ist wann sinnvoll?
Die Herzschwäche gehört zu den zehn häufigsten Todesursachen. Meist ist sie das Endstadium von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Folge nicht-kardialer Ursachen (Covid-19, Entzündungskrankheiten, Krebstherapie). Daher erfordert die (schwere) Herzinsuffizienz interdisziplinäre Teamarbeit zwischen Kardiologie, Herzchirurgie und Kinderkardiologie sowie den Austausch über die herzmedizinischen Disziplinen hinaus.
(Frankfurt a. M./Berlin, 14. September 2022) Die Herzschwäche (Herzinsuffizienz) zählt zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland und ist ein Hauptfaktor für den Plötzlichen Herztod mit über 65.000 Todesfällen pro Jahr. Während die Sterblichkeit durch Herzschwäche seit mehreren Jahren kontinuierlich abnimmt mit 34.855 Verstorbenen im Jahr 2020 (2018: 37.709), bewegt sich die Zahl der vollstationären Aufnahmen – wenn auch jüngst mit einem Rückgang – weiterhin auf hohem Niveau. Allein im Jahr 2020 gab es 429.104 Krankenhausaufnahmen (2018: 456.012, 2019: 487.247). „Die Herzinsuffizienz galt bereits vor Corona-Zeiten als, Epidemie unseres Jahrhunderts‘. Ihre erfolgreiche Eindämmung erfordert die gemeinsamen Anstrengungen aller an der medizinischen Versorgung von Herzschwäche-Patient*innen beteiligten Fachdisziplinen: allen voran der Kardiologie, Herzchirurgie, Kinderkardiologie und Herz-Kreislauf-Rehabilitation“, betont Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung anlässlich der Vorstellung des aktuellen Deutschen Herzberichts 2021. Dieser kann unter www.herzstiftung.de/herzbericht kostenfrei angefordert werden. „Als Endstadium zahlreicher Herz- und Kreislauferkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Herzklappenerkrankungen, Rhythmusstörungen, aber auch angeborene Herzfehler, erfordert die Eindämmung der Herzschwäche und ihrer Grunderkrankungen den Austausch von kardiologischer und herzchirurgischer oder kinderkardiologischer Expertise in der Patient*innenversorgung, klinischen Fragestellungen und in der Forschung.“
Bei der Herzinsuffizienz steigt die Zahl der vollstationären Aufnahmen bei Frauen und Männern besonders ab 65 Jahren steil an (12-mal mehr Krankenhausaufnahmen bei über 65-Jährigen gegenüber den 45- bis unter 65-Jährigen). Aufgrund der Altersentwicklung der Gesellschaft und dank heutiger innovativer Therapieverfahren der kardialen Grunderkrankungen der Herzschwäche ist mit einer stetigen Vergrößerung dieser Patientengruppe zu rechnen. Hinzu kommen Risikokrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Adipositas, Infektionskrankheiten und neuerdings Covid-19, die direkt bzw. indirekt zu einer Schädigung des Herzmuskels (Myokarditis, Kardiomyopathie) und einer dauerhaften Herzmuskelschwäche führen können. Am Ende kann der Worst Case einer schweren Herzinsuffizienz und einer notwendigen Herztransplantation durch ein Spenderherz oder ein Herzersatz durch Herzkreislaufunterstützungssysteme stehen. „Unser Ziel muss daher sein, durch frühzeitige und gezielte Prävention das Risikoprofil von gesunden und bereits herzkranken Menschen so zu optimieren, dass es entweder gar nicht erst zur Herz- oder Gefäßerkrankung kommt beziehungsweise bei einer diagnostizierten Erkrankung durch konsequente Behandlung die Herzleistung und Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern oder zu erhalten, um es nicht zu einer Herzmuskelschwäche kommen zu lassen“, erklärt Prof. Dr. med. Bernhard Schwaab, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR).
Wie lassen sich Krankheitslast und Sterblichkeit durch Herzschwäche verringern?
Die häufigsten Ursachen der Herzschwäche sind vorangegangene Herzinfarkte, die dauerhafte Schäden am Herzmuskel hinterlassen haben, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Der Herzinsuffizienz kann daher nicht nur durch einen gesunden Lebensstil mit viel körperlicher Aktivität, Nikotinverzicht und gesunder Ernährung vorgebeugt werden, was gleichzeitig die Häufigkeit von Herzinfarkten und das Auftreten von Bluthochdruck verhindern kann. Auch das rechtzeitige und konsequente Behandeln von Bluthochdruck und Diabetes mellitus sowie von erhöhten Cholesterinwerten kann das Entstehen einer Herzinsuffizienz verhindern oder zumindest das Fortschreiten günstig beeinflussen.
Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre haben allerdings auch eindrucksvoll die große Rolle sowohl von Herzklappenerkrankungen wie der Mitralklappeninsuffizienz und Aortenklappenstenose, sowie von Herzrhythmusstörungen, wie dem Vorhofflimmern, bei Entstehung und Fortschreiten der Herzinsuffizienz verdeutlicht. „Die Behandlung dieser Grunderkrankungen durch Ausschöpfen der optimalen medikamentösen Optionen oder durch minimalinvasive Eingriffe wie die Katheterablation oder den invasiven Herzklappenersatz sind daher von enormer Wichtigkeit für Herzinsuffizienz-Patient*innen“, betont Prof. Dr. med. Stephan Baldus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK). „Seit Jahren sind erfreulich hohe Überlebensraten bei invasiven Eingriffen trotz des steigenden Lebensalters der Patient*innen zu verzeichnen“, fügt Prof. Dr. Andreas Böning, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) hinzu. Die Präsidenten von DGTHG und DGK unterstreichen in diesem Kontext die Bedeutung einer konsequenten leitliniengerechten Diagnostik und Therapie von Herzkrankheiten.
Effizientes Vorgehen erfordert auch Herzteams unter Einbeziehung der Patient*innen
Die Herzinsuffizienz ist mit einer hohen Last durch Begleit- und Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Nierenschwäche, Diabetes und Übergewicht sowie koronare Herzkrankheit (KHK) und Vorhofflimmern verbunden. Das erfordert in der Behandlung die multidisziplinäre Abstimmung zwischen den herzmedizinischen Fachgebieten in Form von Herzteams, etwa bei KHK-Patient*innen, oder auch den Austausch mit Kolleg*innen weiterer Fachgebiete wie Nephrologie und Pneumologie (Niereninsuffizienz und COPD).
Dass bei den meisten Herzinsuffizienz-Patient*innen die Begleit- und Grundkrankheiten auch in Kombination auftreten, unterstreicht noch einmal mehr, wie essenziell die enge Zusammenarbeit aller herzmedizinischen Fachgebiete ist. „Ob frühzeitige Erkennung von Risikofaktoren, die optimale medikamentöse Therapie durch die niedergelassenen Kardiolog*innen oder die gemeinsam in interdisziplinären Herzteams in der Klinik diskutierten Implantationen von Herzschrittmachersystemen, Transplantationen – ohne alle Möglichkeiten der Herzmedizin zu nutzen, ist eine bestmögliche Therapie der Herzinsuffizienz nicht denkbar“, betont DGK-Präsident Baldus.
„Für die Patientensicherheit muss die Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung der Herzpatient*innen im professionellen multidisziplinären Herzboard (MDH) als Team erfolgen“, ergänzt DGTHG-Präsident Böning
Diagnose chronische Herzschwäche: Was leisten Medikamente?
Herzinsuffizienz ist nach wie vor nicht heilbar, sondern kann nur in ihrem Fortschreiten verlangsamt werden. „Das gelingt allerdings mit den uns zur Verfügung stehenden Medikamenten immer besser“, berichtet Kardiologe Baldus. Die aktuellen Behandlungsleitlinien aus dem Jahr 2021 empfehlen eine Strategie, die auf vier Säulen beruht. Dazu gehören folgende vier Wirkstoffgruppen: ACE-Hemmer/Sartane oder ARNI (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor), Betablocker, Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten und SGLT2-Hemmer. Bei Erkrankten, die unter Wassereinlagerungen leiden, kommen noch Diuretika hinzu. Zusätzlich müssen gegebenenfalls zugrundeliegende Erkrankungen wie eine KHK, Vorhofflimmern oder auch zu hohe Cholesterinwerte medikamentös behandelt werden. Durch die Herzinsuffizienz-Einheiten, die sog. Heart Failure Units (HFU), an deren Zertifizierung auch der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen beteiligt ist, wird zudem die enge Verzahnung zwischen den einzelnen Sektoren im Gesundheitswesen verbessert. „Die Versorgung durch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen spielt eine essenzielle Rolle für die Erkrankten“, so Baldus. „Daher gilt es vor allem, die Kommunikation zwischen stationärer und ambulanter Patientenversorgung zu verbessern, wie es glücklicherweise durch die Heart Failure Units oft schon gelebt wird.“ In Deutschland gibt es rund 200 erstzertifizierte HFU-Zentren,- Kliniken und -Praxen.
Bringen medikamentöse Therapien keine ausreichende Verbesserung des klinischen Bildes, muss häufig ein sogenanntes CRT-System zur kardialen Resynchronisationstherapie eingesetzt werden. Dieses besondere Schrittmachersystem dient dazu, die Kontraktion der Herzkammer zu synchronisieren und damit die Pumpfähigkeit des Herzens zu verbessern. 2020 wurden insgesamt 12.632 Neuimplantationen von CRT-Geräten in Deutschland vorgenommen.
Herzschwäche stabilisieren: Grund- und Begleiterkrankungen behandeln!
„Damit eine stabile Herzinsuffizienz sich nicht verschlechtert und es dauerhaft vermehrt zu einer Klinikeinweisung wegen Entgleisung der Symptome (Dekompensation) kommt, müssen im Fokus aller medizinischen Maßnahmen stets auch die Grund- und Begleiterkrankungen der Herzschwäche sein“, so der Kardiologe und Herzstiftungs-Vorsitzende Voigtländer. „Um das Therapieziel zu erreichen, müssen Arzt und Patient konsequent an einem Strang ziehen: durch Einhalten eines gesunden Lebensstils mit regelmäßiger Ausdauerbewegung, durch gesunde Ernährung, Rauchstopp, das Senken hohen Blutdrucks oder das Einstellen von LDL-Cholesterin und Blutzucker auf Normwerte.“ Konsequentes präventives und therapeutisches Vorgehen sei allerdings auch bei den Begleiterkrankungen von essenzieller Bedeutung. Im Fall der KHK – nach wie vor bei rund Zweidrittel aller Patient*innen Hauptursache der Herzinsuffizienz tragen insbesondere die Akutintervention bei Herzinfarkt durch Katheterverfahren wie die Herzgefäßaufdehnung mit einem Stent/Ballon (PCI) und die Notfallversorgung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (Herzinfarkt, instabile Angina pectoris) durch die bundesweiten Chest-Pain-Units wesentlich dazu bei, Herzschwäche-Fälle zu verhindern. Auch hat etwa die koronare Myokard-Revaskularisation durch die herzchirurgische aortokoronare Bypassoperation (ACB) wesentliches Potenzial, um die Herzschwäche zu verbessern und zumindest zu stabilisieren.
Insbesondere bei der schwer zu behandelnden Hauptstammstenose und/oder der sog. 3-Gefäßerkrankung ist die koronare Bypassoperation gemäß Leitlinien bzw. im Kontext patientenindividueller Faktoren (Alter, Komorbiditäten) vorzugsweise zu empfehlen, weil sie in dieser Konstellation gute Langzeitergebnisse erzielt. 2020 wurden bundesweit 29.444 isolierte aortokoronare Bypassoperationen (ACB) durchgeführt und weitere 8.540 ACB-Operationen erfolgten zumeist in Kombination mit Herzklappenoperationen; in Summe 37.984 Bypassoperationen. Rund 299.000 PCI wurden im Jahr 2020 durchgeführt.
Bei hochgradiger (altersbedingter) Aortenklappenstenose oder Mitralklappeninsuffizienz wird die Prognose der Herzinsuffizienz wiederum verbessert, wenn die invasive Herzklappenbehandlung nach Konsensfindung im interdisziplinären Herzteam rechtzeitig mit dem patientenindividuell festzulegenden Eingriff durchgeführt wird. 2020 erhielten 8.049 Patienten einen isolierten Aortenklappenersatz und 6.050 isolierte Mitralklappen-Operationen wurden durchgeführt (2019: 6.419); in 61,1 Prozent der Fälle konnte die Mitralklappe rekonstruiert werden.
Mit Sorge blickt die Deutsche Herzstiftung auf die Covid-bedingte Rückläufigkeit in der kardiologischen und herzchirurgischen Versorgung im Pandemiejahr 2020 insbesondere bei den sogenannten elektiven, d. h. planbaren Eingriffen. Von 2018 zu 2020 kam es zu einer deutlichen Abnahme bei herzchirurgischen und kardiologischen Eingriffen.
Therapie der schweren Herzinsuffizienz: Worauf kommt es an?
Gerade bei den besonders schwer an Herzinsuffizienz erkrankten Patient*innen „ist die Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Herzchirurgie von unschätzbarem Wert“, wie DGK-Präsident Prof. Dr. Stephan Baldus betont. In den von DGK und DGTHG gemeinsam zertifizierten Heart Failure Units, leben Kardiolog*innen und Herzchirurg*innen die enge Kooperation seit Jahren. Mit enormen Vorteilen für die Patient*innen: Die bedarfsgerechte Patientenversorgung nach aktuellem Wissensstand, die das individuelle medizinische und soziale Umfeld der Erkrankten berücksichtigt, sei hier lückenlos gewährleistet. „Da es sich bei der Herzinsuffizienz um eine chronische und nicht heilbare Krankheit handelt, liegt hinter den Patient*innen meist schon ein längerer Krankheitsweg, bevor die Entscheidung für ein Herzunterstützungssystem oder eine Herz-Transplantation getroffen werden muss“, so Baldus. „Die Begleitung dieses Weges wird dann erfolgreich, wenn sie interdisziplinär in den Zentren begangen wird.“
Schwere Herzinsuffizienz: Für wen eine Transplantation, für wen ein Herzunterstützungssystem?
Für Patient*innen mit schwerer Herzinsuffizienz im Endstadium ist die Herztransplantation eines Spenderorgans Goldstandard. Für das menschliche Herz gibt es aktuell keinen kompletten Kunstherzersatz. Die sogenannten Kunstherzen (Total Artificial Hearts, TAH) sind noch im Frühstadium ihres Einsatzes beim Menschen, daher sind weder mittelfristige Erkenntnisse noch Langzeitergebnisse verfügbar. Auch die Transplantation eines tierischen Herzens, die sogenannten Xenotransplantation, ist zurzeit keine Alternative. Erfreulicherweise leben ca. 60% der Patient*innen 10 Jahre und länger nach einer Herztransplantation. Dank stetig weiterentwickelter und innovativer Medikamente, vor allem Immunsuppressiva, verbessert sich das Langzeitüberleben der Herztransplantierten kontinuierlich. Allerdings stehen in Deutschland derzeit 700 transplantablen Herzpatient*innen nur rund 340 Herztransplantationen (2020: 339) pro Jahr gegenüber. Für diese Patient*innen auf der Warteliste für ein Spenderherz gibt es bis zur Erholung des Herzmuskels oder zur Überbrückung bis zur Herztransplantation die Option eines Herzunterstützungssystems.
Am häufigsten kommt das Linksherzunterstützungssystem (LVAD) zum Einsatz, es sind jedoch auch ventrikuläre Assistsysteme für den rechten Ventrikel oder für beide Herzkammern (RVAD, BVAD) verfügbar. Ein LVAD kommt für Patient*innen infrage:
- die medikamentös optimal, also leitliniengerecht, behandelt sind und dennoch mehr als dreimal im Jahr mit einer ausgeprägten Herzschwäche ins Krankenhaus zur Stabilisierung müssen, und
- bei denen bereits weitere Endorganschäden auftreten, etwa an den Nieren oder der Leber oder
- bei denen das Alter und Begleiterkrankungen gegen eine Transplantation sprechen.
„Die invasive Behandlung der schweren unumkehrlichen Herzschwäche durch eine sogenannte mechanische Herzunterstützung ist eine zentrale herzchirurgische Aufgabe. Sind andere Therapien limitiert, ausgeschöpft oder erkrankungsbedingt nicht möglich, eröffnen Herzunterstützungssysteme die einzige Überlebenschance“, betont DGTHG-Präsident Böning. Die meisten der permanent implantierbaren Systeme, vorrangig LVAD, werden meist in herzchirurgischen Fachabteilungen implantiert, die auch gleichzeitig über ein Transplantationsprogramm verfügen (LVAD; 63,8%/21 Kliniken).
Die Versorgung mit permanenten Herzkammerunterstützungssystemen (VAD) bei unumkehrbarer Herzinsuffizienz, für Patient*innen, bei denen die weiteren Therapiemöglichkeiten nicht mehr stabilisierend bzw. ausgeschöpft sind, bleibt seit Jahren stabil auf hohem Niveau bei insgesamt 843 (2019: 953), wobei die Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme bei 97% der Patienten zum Einsatz kommen (827 L/R VAD; BVAD 12 und Kunstherzen, TAH, 4).
Ein Herzteam aus Kardiologen und Herzchirurgen kann Patienten*innen mit schwerer Herzschwäche frühzeitig mit einem Fahrplan auf die Frage vorbereiten, wann und in welchem Zentrum die Implantation eines Herzkreislaufunterstützungssystems oder die Transplantation erfolgt. Spätestens, wenn die Funktion der linken Herzkammer sich immer weiter verschlechtert und in Bereiche kommt, wo die Auswurfleistung (Ejektionsfraktion) unter 30-20 Prozent fällt, „ist ein Gespräch mit den Kolleg*innen eines entsprechenden Zentrums sinnvoll, das sowohl Herzunterstützungssysteme als auch Transplantationen durchführt“, empfiehlt der Herzstiftungs-Vorsitzende Prof. Voigtländer. Diesen Kontakt sollten Kardiologen, die einen Patienten mit Herzschwäche betreuen, früher als bisher suchen, so seine Erfahrung.
Die Langzeitüberwachung und technische Überwachung der LVAD und die medikamentöse (immunsuppressive) Therapie und antikoagulatorische Therapie muss in den Zentren und unter der Beteiligung der Kardiologen stattfinden.
Für Patient*innen mit schwerer Herzinsuffizienz ist nach einer LAVD-Implantation eine KardReha besonders wichtig. „Die Patient*innen müssen lernen, mit der neuen Technik umzugehen. Dazu zählt der Batteriewechsel so wie das Üben des täglichen Verbandswechselns unter Anleitung, damit sie zuhause möglichst selbstständig sind“, erklärt DGPR-Präsident Schwaab. „Auch hat die Krankheitsverarbeitung eine enorme Bedeutung: Den Lebensmut nicht verlieren, wieder Zutrauen zur Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers fassen, mit Unterstützung der Pumpe wieder einen aktiven Lebensstil erlernen und die Angst verlieren – all das sind wichtige Aufgaben der psychosozialen Unterstützung in der KardReha.“ Durch regelmäßiges körperliches Training erfahren die Patienten zudem, wie sie mit anfänglichen Kreislaufproblemen nach VAD-Implantation oder nach Herztransplantation umgehen können.
Schwere Herzinsuffizienz bei Kindern und Jugendlichen: Welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung?
Hauptursachen für die Entwicklung einer schweren (terminalen) Herzinsuffizienz sind im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (EMAH) ein Versagen des Herzmuskels im Endstadium (z. B. Zustand nach vorangegangener Herzmuskelentzündung, Kardiomyopathien) und komplexe angeborene Herzfehler im terminalen Herzkreislaufversagen (z. B. Herzversagen bei einem Einkammerherzen nach Herstellung einer sogenannten Fontanzirkulation, d. h. nach mehreren operativen und interventionellen Eingriffen).
Prof. Dr. med. Matthias Gorenflo, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK), betont, dass hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten der schweren Herzinsuffizienz aktuell noch keine ursächlich wirkenden Maßnahmen existieren. „Zwar hilft eine medikamentöse Behandlung in besserem Maß als früher, und mechanische Herzkreislaufersatzverfahren und insbesondere die Herztransplantation können das Leben dieser schwerkranken Patienten deutlich erleichtern und verlängern“, so Gorenflo. „Es ist jedoch weitere Forschung zu den Ursachen und zur Behebung von Herzversagen bei angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen erforderlich.“
Ziel von Herzersatzverfahren ist auch bei jungen Patient*innen mit angeborenem Herzfehler die Überbrückung bis zur Erholung des Herzmuskels oder zur Herztransplantation. Der Einsatz verschiedener Herzkreislaufunterstützungssysteme erfolgt je nach Grunderkrankung und Situation: z.B. die veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (va-ECMO) sowie ventrikuläre Assistenzsysteme für den rechten, linken oder beide Ventrikel (RVAD, LVAD, BVAD). Indikationen zur weiterführenden Therapie mit einem mechanischen Herzkreislaufunterstützungssystem sind bei Patient*innen mit angeborenem Herzfehler: therapieresistentes Herzversagen bei intakter Lungenfunktion (kardiogener Schock, zunehmende Verschlechterung trotz inotroper* Therapie mit sekundärer Organbeteiligung). Ein frühzeitiger Kontakt mit einem auf Herzkreislaufersatzsysteme spezialisierten Zentrum ist dringend geboten.
Dies betrifft insbesondere Patient*innen mit austherapiertem angeborenen Herzfehler und Herzinsuffizienz bzw. Herzmuskelproblemen (primäre und sekundäre Kardiomyopathien) auf der Warteliste für eine Herztransplantation. Die Überlebenschancen nach einer Herztransplantation sind bei mehrfach voroperiertem angeborenem Herzfehler schlechter als bei einer Kardiomyopathie mit Linksherzversagen und umso besser, je jünger das Kind ist.
Herzmedizinische Fachgesellschaften appellieren an die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende
Einige Patient*innen sind ganz klar Kandidaten für eine Transplantation. „Gerade bei sehr jungen Menschen muss man mit allem Druck versuchen, das zu realisieren“, betont Voigtländer. Die Lebenserwartung mit einem Spenderherz ist deutlich höher als mit einem LVAD. Bis zu 30 Prozent leben auch nach 20 Jahren noch mit ihrem neuen Herzen. LVAD-Träger können zwar inzwischen auch recht gut mit ihrem künstlichen Pumpsystem leben. Allerdings: Patient*innen, bei denen beide Herzkammern geschädigt sind, kann nach wie vor nur eine Herztransplantation helfen. „Wir müssen als Vertreter der Herz-Kreislauf-Medizin und der Interessen von Herzpatient*innen für die Organspende kämpfen und die Öffentlichkeit und die Politik immer wieder darauf hinweisen, dass wir einen Spenderorganmangel haben“, sagt der Herzstiftungs-Vorstandsvorsitzende Voigtländer. „Nur so können wir Patienten mit einem lebensbedrohlich schwer geschädigten Herzen eine optimale Perspektive geben. Auch wenn ein Linksherzunterstützungssystem lebensrettend ist: Die Lebensqualität nach einer Transplantation ist besser als mit einem LVAD-System.“ Die DGTHG hat im Kontext des Organspendemangels wiederholt eigene Kampagnen durchgeführt und zusätzlich einen Spendenlauf für Kinderherztransplantationen in Kooperation mit der DGPK initiiert, um auf den eklatanten Organspendemangel aufmerksam zu machen.
*inotrop: die Schlagstärke bzw. die Kontraktionskraft des Herzens positiv beeinflussend
Der Deutsche Herzbericht wird von der Deutschen Herzstiftung zusammen mit den ärztlichen Fachgesellschaften, den Deutschen Gesellschaften für Kardiologie (DGK), für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sowie für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) alljährlich herausgegeben.
(wi)
Der Deutsche Herzbericht 2021 ist kostenfrei (PDF) erhältlich unter: www.herzstiftung.de/herzbericht
Herzinfarkt-Risikotest: Die Herzstiftung bietet unter www.herzstiftung.de/risiko einen kostenfreien Herzinfarkt-Risikotest an.
Infos für Patienten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen bietet die Herzstiftung kostenfrei unter www.herzstiftung.de an.
Die vollständige Pressemappe zur Vorstellung des Deutschen Herzberichts 2021 mit weiteren Pressetexten aller beteiligten Fachgesellschaften sowie druckfähiges Grafik- und Bildmaterial erreichen Sie unter: www.herzstiftung.de/herzbericht
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Pressereferent: Pierre König