Kann eine moderne Smartwatch Herzpatientinnen und -patienten eine zuverlässige Hilfe sein, etwa um Vorhofflimmern zu erkennen? Was können sie und was nicht? Wann ist bei diesen speziellen „Wearables“ gar Vorsicht geboten? Ein Überblick.
Was die Smartwatch Herzpatienten bringt
Eine „Smartwatch“ ist eine besondere Form eines sogenannten „Wearable“ – quasi ein elektronischer Messallrounder für das Handgelenk. Seit die ersten Smartwatches vor rund 10 Jahren auf den Markt kamen, hat sich viel getan. Längst bieten sie viel mehr als nur eine erweiterte Zeitanzeige: Man kann mit ihnen telefonieren, sie empfangen E-Mails, präsentieren den Wetterbericht, können rechnen und sind Terminplaner. Je nach Hersteller erfassen sie zudem Gesundheitsdaten bzw. medizinische Messwerte. Das reicht von der Schrittmessung über Kalorienbrauch und Schlafprofil-Erstellung über die Puls- und Blutsauerstoffmessung bis hin zum Erstellen eines einfachen EKG inklusive Warnfunktion für Vorhofflimmern. Einige können sogar den Blutdruck messen und womöglich bald sogar den Blutzucker – ganz ohne Blutstropfen.
In Deutschland wurden allein zwischen 2018 und 2020 rund 8,3 Millionen der elektronischen Hilfsmittel fürs Handgelenk verkauft. Gerade Herzpatientinnen und -patienten verknüpfen mit dem Kauf einer solchen digitalen “schlauen” Uhr den Wunsch, dass sich anhand der Messungen kritische Herzsituationen, vor allem Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, frühzeitig erkennen lassen. Doch wie berechtigt ist diese Hoffnung?
„Smartwatches entwickeln sich tatsächlich zunehmend in Richtung kleiner medizinischer Diagnosegeräte. Einige wurden auch als Medizinprodukt zertifiziert. Sie können daher einen Arztbesuch und die bisherigen Verfahren zu Diagnose und Therapiekontrolle bei Herzerkrankungen zwar nicht ersetzen, aber durchaus ergänzen“, so die Einschätzung von Professor Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung e.V.
Smartwatch: Wie funktioniert die Herzüberwachung?
Eine Smartwatch, die den Puls bzw. die Herzrate kontrolliert, nutzt dazu meist die sogenannte Photoplethysmographie (PPG). Bei diesem Verfahren zur optischen Messung wird die Blutmenge, die am Handgelenk vorbeifließt, anhand der Reflexion von ausgesendeten Infrarotstrahlen gemessen. Denn das Hämoglobin, dass für die rote Farbe unseres Blutes sorgt, absorbiert besonders gut einen Teil des Infrarotlichtspektrums. Nimmt z. B. die Blutmenge während der Systole zu, wird die Absorption des Infrarotlichts größer und die Reflexion nimmt ab. Das gemessene reflektierte Licht wird rechnerisch in eine Pulswelle umgewandelt. Über die Pulswellenanalyse lassen sich Herzfrequenz und eine eventuelle Rhythmusstörung ermitteln sowie der zentrale Blutdruck berechnen.
Die notwendigen Messsensoren sitzen an der Unterseite der Smartwatch. Das Gerät errechnet aus den Messdaten, wie oft das Herz schlägt und ob Unregelmäßigkeiten vorliegen. Die Zuverlässigkeit der Handgelenkgeräte für diese Messungen wird mit über 90 Prozent angegeben und entspricht damit der Messgenauigkeit, wie bei Messung mit einem Brustgurt. Wichtig bei einer Handgelenkmessung ist, dass das Handgelenk/die Sensoren sauber ist/sind und die Uhr ausreichend dicht an der Haut sitzt, damit die Werte nicht ungenau werden.
Für das Erstellen eines EKG per Smartwatch wird wiederum der elektrische Impuls genutzt, der jeden Herzschlag auslöst (Technik: Herzstromkurve). Für die Messung tragen Anwender die Uhr am Handgelenk und berühren mit einem beliebigen Finger der anderen Hand einen dafür vorgesehenen Sensor (meist am Uhrenrand). Der Messvorgang dauert ca. 30 Sekunden und sollte am besten ihn Ruhe durchgeführt werden. Es entsteht so ein 1-Kanal-EKG, das erlaubt, Herzrhythmusstörungen deutlicher als bei einer reinen Pulskontrolle festzustellen.
Zu den Herstellern, die Pulsmessung und EKG-Funktion inklusive einer Herzrhythmusprognose per Smartwatch anbieten, gehören neben Apple (Apple Watch ab Series 4) und Samsung (z.B. Galaxy Watch) u.a. auch die französische Firma Withings (ScanWatch) und das US-Unternehmen Fitbit (Fitbit Sense). Daneben gibt es auch Anbieter externer “Wearables”, die ein Daumen-/Finger-EKG ableiten und dann auf eine entsprechende App einer Smartwatch übertragen. (z. B. AliveCor).
Neue Funktion Blutdruckmessung
Seit Sommer 2021 wartet Samsung nun auch mit einer Blutdruckmess-Funktion seiner Smartwatch (Galaxy 3) auf. Voraussetzung ist allerdings – ebenso wie für die EKG-Funktion –, dass der Nutzer ein Samsung Smartphone mit einem Betriebssystem ab Android 7 besitzt und eine entsprechende App (Health Monitor) installiert, die Handy und Smartwatch miteinander verbindet. (Für das Einrichten einer Apple Watch ist übrigens ebenfalls ein iPhone ab Generation 6s nötig.) Außerdem muss die Funktion mittels eines herkömmlichen Blutdruckmessgeräts zunächst messgenau eingerichtet werden. Das sollte monatlich wiederholt werden.
Die Stiftung Warentest bestätigt der Uhr eine exakte Messung – allerdings nur wenn der Anwender sich genau an die Vorgaben hält. Kaffeekonsum vor dem Messen oder Sport können die Werte zum Beispiel verfälschen. Auch Konkurrent Apple arbeitet offenbar an dieser Funktion.
Bereits zuvor hat der taiwanesische Hersteller ASUS seine VivoWatch BP, einen Fitnesstracker, entwickelt, die außer der Blutdruckmessfunktion auch mit EKG- und Plethysmographie-Sensoren zur Herzfrequenzbestimmung aufwartet. Mit einer klinisch validierten Blutdruckmessung in Form einer Armbanduhr wirbt zudem das japanische Unternehmen Omron. Der Fitnesstracker HeartGuide soll ebenfalls unregelmäßige Herzschläge erkennen können.
Wie verlässlich sind Smartwatches?
Studien mit der Apple Watch haben bei Patienten mit Vorhofflimmern und mit Sinusrhythmus eine hohe Übereinstimmung des “Uhren-EKG” mit einem von Ärzten erhobenen EKG nachgewiesen. Auch laut einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zeigten diese Untersuchungen, dass die Apple Watch Herzfrequenz-Ergebnisse liefert, die gut sind: Es bestand eine 95-prozentige Übereinstimmung von dem von der Smartwatch erkannten und klinisch dokumentierten Vorhofflimmern. Die WATCH AF Studie mit einer Samsung Gear Fit II Smartwatch lieferte ähnlich gute Werte für das Erkennen von Vorhofflimmern.
Die noch laufende HEARTLINE-Studie untersucht nun aktuell, ob sich Vorhofflimmern frühzeitig mit einer Smartwatch feststellen lässt. An der Studie nehmen Patienten im Rahmen eines Programms zur Förderung der Herzgesundheit teil, die aufgrund einer neu diagnostizierten Herzrhythmusstörung Blutverdünner (Antikoagulantien) einnehmen.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung haben zudem 2019 eine umfangreichere Studie veröffentlicht, in der die Qualität der Messung von Herzrhythmusstörungen durch Smartwatches untersucht wurde. Über 500 Personen mit und ohne Vorhofflimmern hatten an der Untersuchung teilgenommen. Verwendet wurden in der Untersuchung allerdings Smartwatches, bei denen die Erkennung von Vorhofflimmern nicht per EKG erfolgte, sondern mittels Pulswellenanalyse. Insgesamt waren die Ergebnisse auch dieser Studie gut. Allerdings zeigten sich teilweise Probleme bei der Signalqualität, vor allem dann, wenn sich die Probanden während der Messungen bewegten. Nicht zuletzt deshalb konnten rund 20 % der Daten nicht ausgewertet werden.
Studie vergleicht Wearables zum Nachweis von Vorhofflimmern
Forscher der Universität Basel haben an fünf verschiedenen Geräten getestet, die alle ein 1-Kanal-EKG aufzeichnen und als Medizinprodukte zugelassen sind, wie gut sich damit Vorhofflimmern feststellen lässt (BASEL Wearable Study DOI: 10.1016/j.jacep.2022.09.011). Den Ergebnissen insgesamt zufolge hatten alle Geräte eine hohe Sensitivität (erkrankte Personen werden zuverlässig als krank erkannt) und Spezifität (gesunde Personen werden zuverlässig als gesund erkannt) für das Erkennen von Vorhofflimmern haben – ohne markante Unterschiede. Allerdings sind viele Aufzeichnungen nicht auswertbar. Wird diese Tatsache mit berechnet, dann verringert sich die Aussagekraft der Geräte dann doch merklich (s. Tabelle). Außerdem gibt es Unterschiede in den Grenzwerten für die Herzfrequenz, die die automatische EKG-Interpretation beeinflussen. Die Forscher empfehlen daher, dass ein von der Smartwatch im EKG angezeigtes Vorhofflimmern immer nochmals von einem Kardiologen bestätigt werden sollte.
Hersteller | AliveCor | Apple | Fitbit | Samsung | Withing |
---|---|---|---|---|---|
Version | KardiaMobile | Watch 6 | Sense | Galaxy Watch3 | ScanWatch |
Sensitivität | 79 % | 85 % | 66 % | 85 % | 58 % |
Spezifität | 69 % | 75 % | 79 % | 75 % | 75 % |
nicht auswertbare Daten | 26 % | 18 % | 21 % | 17 % | 24 % |
Grenzen Herzfrequenzbereich | 50-120 bpm* | 50-150 bpm | 50-120 bpm | 50-120 bpm | keine Info |
Präferenz der Patienten | 5 % | 39 % | 15 % | 12 % | 24 % |
Batterielaufzeit (ohne GPS) | 90 Stunden | 18 Stunden | 144 Stunden | 45 Stunden | 720 Stunden |
*bpm = beats per minute / Schläge pro Minute
Grenzen der Messungen per Smartwatch
Viele Rhythmusstörungen verlaufen bekanntlich asymptomatisch. Das gilt vor allem für das Vorhofflimmern. Gerade die frühe und korrekte Aufzeichnung – und damit auch Diagnose – dieser kardialen Arrhythmie ist jedoch wichtig, um die geeigneten therapeutischen Maßnahmen zu ergreifen und Folgeschäden zu vermeiden, wie einen Schlaganfall. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologe hat daher in einem Positionspapier vor kurzem Stellung zum Nutzen von Wearables bei Arrhythmien genommen. Darin wird auch auf die in Studien ermittelte hohe Treffsicherheit einer Vorhofflimmerepisode verwiesen und geschrieben: “Wearables sind potenziell in der Lage die diagnostische Lücke zu schließen, die das konventionelle EKG-basierte Screening hinterlässt.” Und: “Die aktuelle Datenlage zeigt, dass Wearables prinzipiell zum Vorhofflimmerscreening eingesetzt werden können”. Aber ebenso heißt es: “Eine definitive Vorhofflimmerdiagnostik mittels PPG (optischen Sensoren) ist derzeit nicht möglich” – eine Bestätigung per EKG wird als erforderlich angesehen. Im Fall einer EKG-basierten Dokumentationen einer Rhythmusstörungen per Smartwatch sehen die Experten immerhin eine Möglichkeit, diese zur weiterführenden Diagnostik und Therapie einzusetzen. Generell wird betont, dass “der Nutzen über die Diagnose hinaus noch nicht gezeigt werden konnte”.
Smartwatch als Ersatz für den Arztbesuch?
Nein, denn dafür sind die Analysen der Geräte (noch) zu fehleranfällig. Anwenderinnen und Anwender müssen die Smartwatch zudem richtig bedienen können, damit sie verlässliche Werte erhalten. Sonst kann es leicht zu Verunsicherung kommen. „Moderne Smartwatches können helfen, den Herzrhythmus kontinuierlich aufzuzeichnen und dabei einen unregelmäßigen Herzschlag, der auf Vorhofflimmern hindeutet, festzustellen. Es braucht in der Regel allerdings einen Mediziner, um aus den Messungen die richtigen Schlüsse für die weitere Diagnostik und Therapie zu ziehen”, so Prof. Meinertz. Daher sollten Patientinnen und Patienten die Verwendung einer Smartwatch und die Auswertung immer mit ihrem behandelnden Kardiologen abstimmen. Darauf weist auch die amerikanische Zulassungsbehörde in ihrem „device approval letter“ ausdrücklich hin.
Außerdem sind weder die Apple Watch noch andere Smartwatches dafür geeignet, ernstere Herzrhythmusstörungen oder Durchblutungsstörungen des Herzens zu erfassen. Die Wearables können einen Herzinfarkt nicht erkennen und auch keine Hinweise auf eine koronare Herzkrankheit (KHK) geben, betont der Herzexperte. Daher gilt: „Bei Schmerzen im Brustraum, die auf einen Herzinfarkt hinweisen könnten, dürfen Sie keine Zeit mit der Smartwatch verlieren, sondern müssen nach wie vor sofort den Notruf unter 112 verständigen!“
Smartwatches als Krankenkassenleistung?
Wie sich die Funktionen der Smartwatches weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. In den kommenden Jahren ist sicherlich mit vielen Neuerungen und weiteren Untersuchungsfunktionen zu rechnen. Am 1. Januar 2020 ist das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) in Kraft getreten. Es sieht vor, dass künftig auch Gesundheits-Apps – sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) – eine Leistung der Krankenkassen werden können. Bis März 2021 war allerdings noch keine DiGA zur Arrhythmiediagnostik in das Verzeichnis aufgenommen worden. Bislang sind die Smartwatches daher nicht Teil der Regelleistungen. Patientinnen und Patienten, welche die Wearables nutzen möchten, müssen die Kosten von mehreren hundert Euro aus eigener Tasche bezahlen.
Wearables: Was ist der Unterschied zwischen Smartwatch und Fitnesstracker?
Viele Gesundheitsmessfunktionen wurden zunächst für die sogenannten Fitnesstracker entwickelt, die vor allem von Sportlern gerne genutzt werden, um pulsgenau zu trainieren, Bewegungsaktivität und Kalorienverbrauch zu kontrollieren. Bei vielen Modellen sind dazu Lichtsensoren verbaut, in neueren Modellen zudem EEG-Sensoren zur Bestimmung von Pulswellen und Herzfrequenz. Smartwatches wiederum haben sich zunächst in der Optik an Uhren und der Funktion an Handyfunktionen angelehnt und bieten dementsprechend viele Funktionen eines Smartphones. Mit einer SIM-Karte ausgestattet kann man damit z. B. telefonieren und SMS schreiben. Auch Apps können direkt auf eine Smartwatch geladen werden. Das können Fitnesstracker nicht. Darüber hinaus ergänzen inzwischen immer mehr Gesundheitsmessfunktionen die Ausstattung der neuen Smartphonemodelle großer Anbieter. Sogenannte Fitnesswatches/Sportuhren, auch Hybrid-Smartwatches genannt, sind wiederum eine Art Mischung von Smartwatch und Tracker, bieten jedoch nicht alle Funktionen einer Smartwatch.
Mögliche Kaufkriterien:
- Preis
- Akkulaufzeit
- Optik/Größe: Alles lesbar auf dem Display?
- Was möchte ich messen/kontrollieren?
- Welche Funktionen brauche ich dazu, welche möchte ich zudem haben?
- Sind die kardialen Messfunktionen geprüft (Medizinprodukt)?
- Kann ich alle Funktionen bedienen/verstehen?
- Will ich alles auf einem Gerät oder ist auch die Kopplung mit meinem Handy ok (Kompatibilität prüfen!)?
- Wer hat Zugriff auf meine Gesundheitsdaten?
Experte
- 60323 Frankfurt am Main
- [email protected]
- www.kardiologie-meinertz-jaeckle.de/
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
Unsere Empfehlungen
- Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien; Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie; https://doi.org/10.1007/s12181-021-00488-3