Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen weltweit an erster Stelle der Todesursachen. Doch wie gestaltet sich ein Lebensstil, der das Herz und den Kreislauf schützt? Und wie können wir aktiv dazu beitragen, uns vor schweren Herzerkrankungen zu bewahren? Diese Fragen beantwortet Prof. Dr. med. Bernhard Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und Chefarzt an der Curschmann Klinik, Timmendorfer Strand, einem Rehabilitationszentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
1. Rauchen Sie nicht
Mit dem Rauchen aufzuhören oder gar nicht erst anzufangen lohnt sich! Nikotin ist ein starkes Gift für die Gefäße und Rauchen ein starker Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall und Arterienverkalkung (z. B. pAVK). Auf den Tabakkonsum gehen hierzulande 120.000 vorzeitige und vermeidbare Todesfälle pro Jahr zurück: verursacht durch Herzinfarkt und Schlaganfall, bösartige Tumoren und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Mit dem Rauchen aufzuhören ist nach einem Herzinfarkt unverändert die wirksamste Einzelmaßnahme und reduziert das Wiederholungsrisiko für einen weiteren Infarkt um weit über 50 Prozent! Auch das dauerhafte Rauchen von E-Zigaretten kann heute nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden. Es gibt unterstützende (Aussteiger-)Programme zum Aufhören mit Rat und praktischen Hilfen.
2. Bleiben Sie in Bewegung und treiben Sie Sport
Wer sich regelmäßig bewegt, beugt wirksam Herz- und Gefäßkrankheiten, aber auch Diabetes und Krebserkrankungen wie Darm- oder Brustkrebs vor. Ideal ist Ausdauerbewegung an fünf Tagen die Woche für mindestens 30 Minuten. Gute Beispiele für eine mäßige Ausdauerbelastung sind Joggen, schnelles Gehen, Radfahren, Schwimmen, Ergometertraining oder auch Tanzen. Auch kürzere Einheiten können helfen wie zügiges Spazierengehen für zehn Minuten am Tag. „Bereits ab 8000 Schritten an mindestens zwei Tagen in der Woche wird das Risiko für den vorzeitigen Herztod gesenkt“, so Prof. Schwaab. Am besten man gestaltet auch seinen Alltag so bewegt wie möglich: Fahrrad statt Auto oder E-Roller, Treppe statt Aufzug, im Büro stehend statt sitzend telefonieren und arbeiten. Bewegung schützt zudem nicht nur vor Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“), sondern wirkt sich positiv auf andere Körper- und Organfunktionen wie Zellerneuerung, Anregung der Hirnaktivität, Stoffwechselprozesse in Leber und anderen Organen aus.
„Menschen nach längerer Sportpause und Herz-Kreislauf-Patienten sollten allerdings ihre Belastbarkeit zunächst mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen“, rät der Kardiologe Prof. Schwaab.
Moderates Kräftigungstraining ergänzend zum Ausdauertraining
Günstig ist außerdem ein moderates Kräftigungstraining ergänzend zum Ausdauertraining, d.h. Übungen mit niedriger Belastung und hoher Wiederholungsrate. Das bedeutet, dass zum Beispiel mit 30 Prozent der Maximalkraft 20 Wiederholungen (Pressatmung unbedingt vermeiden) einer Übung erfolgen. Neuere Studien zeigen, dass sich ein isometrisches Krafttraining, beispielsweise täglich 4 x 2 Minuten Wandsitzen, günstig auf den Blutdruck auswirkt.
3. Sorgen Sie für genügend Entspannung
Stress bei der Arbeit, in der Familie, in der Beziehung und noch in der Freizeit: Nicht Stress alleine macht krank, sondern fehlende Entspannung. Bei akutem Stress wappnet sich der Körper sehr gut für die Problemsituation: Stresshormone werden ausgeschüttet, der Blutzucker steigt, die Insulinausschüttung nimmt zu, das Herz schlägt schneller und der Blutdruck steigt. Bei anhaltendem Dauerstress kommen diese Vorgänge jedoch nicht zur Ruhe und der Organismus steht ständig unter Dampf. Das schadet dem gesamten Körper. Die Folge können Entzündungsreaktionen im Körper sein, im schlimmsten Fall entstehen Diabetes, Schlaganfall, Arteriosklerose und Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen.
Achten Sie daher auf ein Gleichgewicht zwischen Stress und Entspannung. Sorgen Sie für Inseln der Ruhe und für Aktivitäten, die Sie den Stress vergessen lassen: musizieren, lesen, malen, tanzen, im Garten arbeiten, mit Freunden kochen, mit den Kindern spielen, einem Verein beitreten oder gemeinsam Konzerte und Sportereignisse besuchen. Auch Entspannungstechniken sind sehr hilfreich: progressive Muskelentspannung, Atemgymnastik, Yoga, Qigong oder Tai-Chi. „Wenn Patienten nach einem Herzinfarkt ihre Stressfaktoren durch Entspannung in den Griff bekommen, könne Sie das Auftreten eines vorzeitigen Herztods um circa 30 Prozent verringern“, betont Kardiologe Prof. Schwaab.
4. Ernähren Sie sich gesund
Eine gesunde Ernährung lohnt sich in vielerlei Hinsicht: Sie verringert Entzündungsvorgänge im Körper, verbessert die Fließeigenschaften des Bluts und die Funktion der zarten Gefäßinnenhaut (Endothelfunktion), optimiert die Wirkung des körpereigenen Insulins, senkt den Blutdruck und hilft, Übergewicht am Bauch zu vermeiden. Herzspezialisten propagieren die traditionelle Mittelmeerküche. "Die mediterrane Kost setzt auf Obst und Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte, wenig Fleisch, dafür eher Fisch, auf Oliven- und Rapsöl und auf Kräuter anstelle von Salz", bestätigt Prof. Schwaab. Salz bindet Wasser im Körper, was Bluthochdruck fördern kann. Speziell der tägliche Konsum von ausreichend Gemüse und Ballaststoffen kann durch den relativ geringen Energiegehalt dazu beitragen, Übergewicht zu vermeiden, das wiederum Bluthochdruck begünstigt. Dazu schmecken die Gerichte der Mittelmeerküche lecker und sind keineswegs fade.
Auch zu viel Zucker schadet Herz und Gefäßen. Zu hoher Konsum erhöht unter anderem das Risiko für Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Vor allem Zucker in Getränken (auch Fructose) sollte vermieden werden. Zudem ist Zucker häufig in Lebensmitteln enthalten, in denen wir große Mengen gar nicht vermuten (Fruchtjoghurt, Salatfertigsaucen, Ketchup, Fertiggerichte). Daher ist ein wacher Blick auf die Beschreibung der Zutaten hilfreich, um "Zuckerfallen" aus dem Weg zu gehen.
Wichtig im Rahmen einer herzgesunden Ernährung ist auch ein möglichst geringer Konsum von Alkohol. Denn: "Einen risikofreien Alkoholkonsum gibt es nicht. Schon geringe Mengen Alkohol können Zellen und Organe wie das Herz schädigen sowie das Entstehen von Krebs begünstigen", so der Präventionsexperte Prof. Schwaab. Wer Alkohol dennoch trinken mag, sollte dies daher selten (nicht täglich) und nur in kleinen Mengen tun. Alkohol zur kardiologischen Prävention - Stichwort "Rotwein fürs Herz" - sollte nicht mehr empfohlen werden.
Kochbuch "Mediterrane Küche"
5. Vermeiden Sie Übergewicht
Zusätzlich zur Bewegung fördert die Mittelmeerküche das schrittweise Abnehmen für ein gesundes Normalgewicht. Dabei ist es wichtig, die tägliche Kalorienaufnahme an den Verbrauch anzupassen. Achten Sie dabei auch auf Kalorien in flüssiger Form, insbesondere auf Alkohol und süße Mixgetränke. Denn Alkohol hat viele Kalorien und kann indirekt über die Zunahme an Gewicht zu hohem Blutdruck führen. Übergewicht ist ein wichtiger und häufiger Auslöser für Bluthochdruck.
Angestrebt werden sollte ein Gewicht mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 22 und 25. Beim Taillenumfang sollten Männer weniger als 102 und Frauen weniger als 88 cm anstreben. Gerade das Bauchfett produziert Hormone und entzündungsfördernde Botenstoffe, die sich unter anderem auf den Blutdruck auswirken. „Jedes Kilo und jeder Zentimeter weniger wirken sich günstig auf den Blutdruck und den Zucker aus“, betont Prof. Schwaab.
Wie berechnet sich der BMI?
Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Bei einer Person, die 75 kg schwer und 1,75 m groß ist, berechnet sich der BMI folgendermaßen: 75 kg/(1,75m x 1,75m) = 24,49 kg/m². Laut WHO besteht:
- Normalgewicht bei einem BMI zwischen 18,5, und 24,9
- Übergewicht bei BMI ab 25 bis 29,9
- Adipositas bei BMI ab 30
Merke: Der BMI kann bei Patienten mit hoher Muskelmasse - und damit höherem Körpergewicht - in einen Bereich geraten, der eigentlich auf Übergewicht deutet. Bei der Beurteilung von risikoreichem Übergewicht werden daher z.B. auch Fettverteilung und Taillenumfang mit berücksichtigt.
6. Schlafen Sie ausreichend und regelmäßig
Regelmäßiger und ausreichender Schlaf ist für das seelische Gleichgewicht und die Herzgesundheit wichtig. Gesunder Schlaf wirkt wie ein Medikament: Während der Nachtruhe erholt sich der Körper, Stoffwechselprozesse wie der Fett- und Zuckerstoffwechsel werden reguliert, das Immunsystem wird gestärkt und zelluläre Reparaturprozesse werden angestoßen. Auch der Blutdruck wird während der Nachtruhe langfristig konstant gehalten. Umgekehrt hat Schlafmangel gravierende Folgen für den Körper – insbesondere für das Herz: Dauerhaft zu wenig oder schlechter Schlaf kann das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen oder bereits bestehende Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit oder das metabolische Syndrom beschleunigen. Besonders das Risiko für Herzinfarkt und Herzschwäche steigt. Insbesondere bei auffälliger Müdigkeit am Tag sollte überprüft werden, ob eventuell eine schlafbezogene Atemstörung (Schlafapnoe) vorliegt.
7. Achten Sie auf Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker
Bluthochdruck, erhöhte Blutfett- (Cholesterin) und Blutzuckerwerte sind wichtige Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall. Bluthochdruck ist tückisch, weil man ihn zunächst nicht spürt („stiller Killer“). Unerkannt und unbehandelt steigt bei Bluthochdruck das Risiko, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine Nierenschädigung zu erleiden erheblich. Deshalb unbedingt regelmäßig den Blutdruck messen: ab Schuleintritt beim Kinderarzt und später im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen im Beruf oder der Routineuntersuchung beim Hausarzt oder Frauenarzt.
Von Bluthochdruck sprechen Ärztinnen und Ärzte, wenn verschiedene Oberarm-Messungen in der Arztpraxis an unterschiedlichen Tagen Werte von 140 zu 90 mmHg oder höher ergeben. Bei Selbstmessungen für zu Hause gilt eine Obergrenze von 135 zu 85 mmHg. Die Blutdruckwerte in der Praxis dürfen etwas höher sein, weil Patientinnen und Patienten bei der Messung oft etwas aufgeregt sind („Weißkittelhochdruck“). Um festzustellen, ob ein erhöhter Blutdruck vorliegt, ist eine sorgfältige Messung erforderlich. Was dabei zu beachten ist, finden Sie in unserer neuen Checkliste.
Erhöhte Cholesterinspiegel im Blut sind ein wichtiger Risikofaktor nicht nur für Herzinfarkt und Schlaganfall, sondern auch für Durchblutungsstörungen der Beine (Schaufensterkrankheit, kurz „pAVK“). Hohe LDL-Cholesterinspiegel verursachen Gefäßveränderungen in den Arterien des Herzens (Arteriosklerose), in den Hirn- und Beinarterien mit Bildung von Ablagerungen in diesen Gefäßen (Plaques). „Das belegen Studien seit Jahrzehnten eindeutig“, betont Schwaab. Zusätzlich konnte in Studien gezeigt werden, dass sich eine medikamentöse Senkung erhöhter Cholesterinwerte günstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Hier finden Sie eine erste Einschätzung, bis zu welcher Höhe Cholesterinspiegel noch normal sind und unter welchen Kriterien eine medikamentöse Behandlung notwendig wird. Dabei sind neben dem gemessenen LDL-Cholesterinspiegel im Blut auch weitere eventuell vorhandene Risikofaktoren für eine Therapieentscheidung berücksichtigt.
Dauerhaft zu hohe Blutzuckerwerte sind nicht nur ein Symptom für Diabetes mellitus, sondern auch eine echte Gefahr für das Herz. Denn bereits bei leicht erhöhten Werten – also noch bevor ein Diabetes bestätigt wird, beginnen schädigende Prozesse in den Gefäßen. Um das persönliche Diabetes-Risiko einschätzen zu können, helfen regelmäßige Blutuntersuchungen beim Arzt. Zu hohe Blutzuckerwerte gehen oft Hand in Hand mit Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten und Übergewicht. Mediziner fassen diese Stoffwechselstörungen unter dem Begriff „Metabolisches Syndrom“ zusammen.
Patienten mit Zuckerkrankheit leiden rund zweimal so häufig an einem Bluthochdruck wie Menschen ohne Zuckerkrankheit. Dann ergänzen blutdrucksenkende Mittel die Behandlung. Bei zu hohen Blutfettwerten sollten Cholesterinsenker (z.B. Statine) eingenommen werden. Die medikamentöse Behandlung sollte immer von einem gesunden Lebensstil begleitet werden.
8. Nutzen Sie die angebotenen Vorsorgeuntersuchungen
Für ein rechtzeitiges Erkennen und eine frühzeitige Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – allen voran der koronaren Herzkrankheit (KHK) und ihrer Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen (hohes Cholesterin) – rät die Deutsche Herzstiftung Männern und Frauen zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen ab 40 Jahren. Bei familiärer Vorbelastung sollte das noch früher erfolgen. Das kann der regelmäßige Gesundheits-Check-up bei Hausärztin oder Hausarzt sein, der ab 18 Jahren einmalig und ab 35 Jahren alle drei Jahre erfolgt (zahlt die Krankenkasse). Durchgeführt wird der Check von Allgemeinmedizinern, praktischen Ärzten und Internisten. Darüber hinaus erlauben es etwa Ultraschalluntersuchungen der Halsschlagadern oder der Becken- und Beingefäße, frühzeitig Gefäßverkalkungen zu erkennen, die für die Betroffenen noch ohne Symptome sind. Das EKG in Ruhe und unter Belastung sowie die Ultraschalluntersuchung des Herzens ergänzen das Untersuchungsspektrum.
Innerer Schweinehund: Wie bleibt man trotzdem dran?
Für Lebensstiländerungen gilt es, alte gewohnte Strukturen im eigenen Leben aufzubrechen. „Das ist in der Regel schwierig“, sagt Prof. Schwaab und empfiehlt: „Oftmals ist es hilfreich, in seinem Lebensumfeld feste Ankerpunkte einzurichten: die regelmäßige Lauf-, Walking- oder Herzgruppe im Verein, das gemeinsame Kochen mit der Familie oder mit Freunden zu Hause und für Raucher der Austausch mit Ex-Rauchern in der Selbsthilfegruppe.“
Experte
Prof. Dr. med. Bernhard Schwaab ist Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und Chefarzt an der Curschmann Klinik, Timmendorfer Strand, einem Rehabilitationszentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
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