Medikamente aus der Gruppe der sogenannten SGLT-2-Hemmer oder Gliflozine haben inzwischen einen festen Platz in der Herzinsuffizienz-Therapie. Doch Angaben im Beipackzettel zum Alter der Patienten und zu Nierenschwäche verunsichern Betroffene immer wieder. Wie sind diese Angaben zu interpretieren?
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut
Vor einer Woche hat mir mein Kardiologe angesichts meiner diastolischen Herzschwäche das Medikament Jardiance 10mg verordnet, zusätzlich zu Candesartan, Nebivolol und Torasemid.
Als ich mir den Beipackzettel durchgelesen habe, musste ich feststellen, dass ich das Medikament wegen der Nebenwirkungen wohl gar nicht nehmen darf. Ich erfülle, wenn ich das wörtlich nehme, so ziemlich alle Ausschlusskriterien: Ich habe Nierenprobleme (GFR 40 und KREA 1,7), ich nehme Blutdrucksenker und Wassertabletten. Und ich bin 85 Jahre alt – das Medikament soll aber laut Beipackzettel nur bis zum 75. Lebensjahr verabreicht werden. Gleichzeitig habe ich im Internet gelesen, dass der Wirkstoff auch nierenschützend wirkt.
Jetzt bin ich vollständig verunsichert. Wie ist das zu interpretieren? (Stefan K, Ludwigsburg)
Experten-Antwort:
SGLT-2-Hemmer wie Jardiance werden aufgrund der ausgezeichneten Datenlage inzwischen als ein wesentlicher Baustein in der Behandlung der Herzschwäche angesehen – und zwar sowohl bei Patienten mit Diabetes als auch ohne. Das von Ihrem Kardiologen verordnete Medikament enthält den Wirkstoff Empagliflozin und ist seit Juni 2021 für Erwachsene zur Behandlung der chronischen Herzschwäche mit Beschwerden zugelassen und kommt für Personen infrage, bei denen die Auswurfleistung des Herzens vermindert ist. Es soll den Blutdruck senken und die Pumpleistung des Herzens verbessern. Erst jüngst bestätigten Daten einer neuen Studie (EMPULSE) den klinischen Nutzen bei Erwachsenen, die nach akuter Herzinsuffizienz im Krankenhaus stabilisiert wurden.
Zur Interpretation der Angaben im Beipackzettel ist zu sagen: Das von Ihnen genannten Alter von 75 Jahre ist keine absolute Altersgrenze, sondern bezieht sich auf einen möglichen Flüssigkeitsmangel, der bei älteren Patienten bekanntlich häufiger vorkommt. Wenn Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, ist alles ok.
Was die Angaben zur Nierenschwäche angeht: Die erwähnte mögliche Einschränkung der Einnahme beziehen sich auf schwerwiegende Nierenprobleme. Die von Ihnen angegebenen Daten zur Nierenleistung deuten jedoch nicht auf eine schwerwiegende Einschränkung der Nierenfunktion hin, so dass davon auszugehen ist, dass der Nutzen überwiegt. Erst im März 2022 sind neue Daten bekannt geworden zum Nutzen von Empagliflozin speziell bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (EMPA-KIDNEY-Studie).
Mein Vorschlag wäre daher, dass Sie Ihre Bedenken und Sorgen mit Ihrem behandelnden Arzt offen und ausführlich besprechen. Er kennt ihre gesundheitliche Situation – unter anderem das Ausmaß der Herzschwäche und ihre Nierenfunktionsfähigkeit – gut und kann Ihnen seine Entscheidung für die Verordnung des Medikamentes sicher auch nochmals erläutern. Denn das Weglassen eines wirksamen Medikaments kann auch dazu führen, dass sich die Herzerkrankung verschlechtert.
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.