Acetylsalicylsäure (ASS oder Aspirin) ist mehr als nur ein Schmerzmittel. Der Wirkstoff verhindert in niedriger Dosierung auch, dass sich gefährliche Verklumpungen in den Arterien (Blutgerinnsel) bilden. Wer sollte deshalb ASS regelmäßig anwenden?
ASS bei Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen
Von einer langfristigen, regelmäßigen ASS-Einnahme profitieren Menschen, die bereits einen Herzinfarkt oder ischämischen (durch Durchblutungsstörungen) ausgelösten Schlaganfall in der Vergangenheit erlitten haben. Auch bei der koronaren Herzkrankheit mit fortschreitender Brustenge (instabiler Angina pectoris) verordnen Kardiologinnen und Kardiologen ASS – in der Regel in einer Dosierung von 100 mg einmal täglich.
Der Wirkstoff kommt in dieser niedrigen Dosierung ebenfalls zum Einsatz, falls ein Blutgefäß geweitet und mit einem Metallgitter (Stent) stabilisiert worden ist. Falls erforderlich, wird ASS für eine gewisse Zeit (meist 6-12 Monate) noch mit einem weiteren Wirkstoff kombiniert, etwa Clopidogrel. Diese duale (zweifache) Plättchenhemmung zeigt noch bessere Ergebnisse.
ASS bei gesunden Menschen mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko
Auch Personen ohne Herzinfarkt oder koronarer Herzerkrankung profitieren vermutlich von einer prophylaktischen ASS-Einnahme. Das gilt aber nur wenn ihr Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, über 20 Prozent liegt. Der Wert erscheint auf den ersten Blick zwar willkürlich, berücksichtigt aber, dass jedes Arzneimittel auch Nebenwirkungen hat - hier vor allem Blutungsrisiken.
Das Herzrisiko lässt sich anhand von speziellen Programmen zur Risikoabschätzung, dem PROCAM- oder CARRISMA-Score, ermitteln. Sie basieren auf großen Studien, bei denen untersucht wurde, welchen Effekt das Alter, das Geschlecht, der Blutdruck, Rauchgewohnheiten sowie der Spiegel an „schlechtem“ LDL-Cholesterin auf das Herzinfarkt-Risiko haben.
In den USA hat ein Expertengremium im Jahr 2022 seine Empfehlung ebenfalls eng gesteckt: Danach sollten nur 40-59-Jährige mit einem mindestens zehnprozentigen Risiko, in den nächsten zehn Jahren eine atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, ASS vorbeugend einnehmen. Ab 60 Jahren, so die Einschätzung der Experten, sei das Verhältnis von Nutzen zu Risiken zu ungünstig - zumindest, um mit dieser Form des Herzschutzes zu beginnen. Wer aber schon vorher ASS niedrigdosiert eingenommen habe, könne das auch bis etwa zum 75. Lebensjahr fortsetzen.
Keine eigenmächtige Behandlung
Nicht jede Person profitiert somit von ASS. Wer keine Vorerkrankungen und kein erhöhtes Risiko hat, Blutgerinnsel zu entwickeln, sollte nicht vorbeugend zu ASS greifen. Denn damit erhöht sich die Gefahr eventueller Nebenwirkungen, die unter ASS auftreten können, bei einem vergleichsweise geringen Nutzen.
Zu den möglichen Risiken zählen vor allem Magengeschwüre und eine erhöhte Blutungsneigung, vor allem im Bereich des Magen-Darm-Traktes.
Experte
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
Unsere Empfehlungen für Sie
- Internet: https://www.fachinfo.de/ (Stand: 2020)
- Aspirin Use to Prevent Cardiovascular Disease; JAMA. 2022;327(16):1577-1584. doi:10.1001/jama.2022.4983