Hohe Hürden für eine Herzreparatur
In Deutschland sind etwa 200.000 Menschen von einer schweren Herzschwäche betroffen. In diesem fortgeschrittenen Stadium geht bis zu einem Viertel des Herzmuskels verloren. Das sind etwa eine Milliarde Herzmuskelzellen. An die Stelle der kontraktionsfähigen Zellen tritt „nutzloses“, narbiges Gewebe.
Zur Behandlung in diesem Zustand reichen Medikamente meist nicht mehr aus. Sie können vor allem den Schaden nicht reparieren. Oft sind eine Herztransplantation oder der mechanische Herzersatz dann die einzigen Lösungen, die zur Verfügung stehen. Die begrenzte Zahl der Spenderorgane und technische Probleme beim mechanischen Herzersatz zwingen daher zur Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten. Ein spannender Ansatz: Neue Herzmuskelzellen in Form eines Pflasters auf das Herz aufbringen. Erste Erfolge sind da, zugleich sind noch viele Fragen zu klären.
Welche Probleme müssen gelöst werden?
- Es muss genügend Herzmuskelgewebe implantiert werden, um das kranke Herz zu unterstützen.
- Dieses Gewebe muss für eine genügend lange Zeit (Jahre) funktionstüchtig bleiben.
- Bestimmte Nebenwirkungen, wie bösartige Arrhythmien oder Neubildung von Tumoren, dürfen nicht auftreten.
- Die notwendige immunsuppressive Therapie zur Unterdrückung einer Abstoßungsreaktion muss vom Patienten vertragen werden.
Erste Erfolge: Herzkraft wurde gestärkt
In einer aktuell veröffentlichten Forschungsarbeit von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Göttingen und Lübeck wurde nun dargelegt, wie sich „Pakete“ von fremdem Herzmuskelgewebe in einen geschwächten, nicht mehr funktionsfähigen Herzmuskel tatsächlich integrieren lassen und dann auch in diesem Muskel arbeiten. Verwendet wurden dazu Herzmuskelzellen, die aus sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen hergestellt worden waren.
Stammzellen sind zelluläre „Alleskönner“, aus denen sich verschiedenste Spezialzellen entwickeln. Induzierte pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) sind besondere Stammzellen, die aus erwachsenen Körperzellen gewonnen und dann so umprogrammiert werden, dass sie sich wieder in verschiedene Zelltypen entwickeln können – in diesem Fall in funktionierende Herzmuskel- und Bindegewebszellen.
Die neu gezüchteten Zellen werden den Autoren zufolge mit Kollagen gemischt und in spezielle pflasterartige Formen gebracht. Es werden mehrere Schichten übereinander gelegt. Diese werden schließlich auf defektes Herzmuskelgewebe aufgebracht, um in dieses einzuwachsen und so das Herz zu regenerieren.
Vom Labor zum Menschen
Bisher wurden Untersuchungen mit solchen Zellpflastern vorwiegend im Labor und an Kleintieren vorgenommen. Doch die dabei gewonnenen Ergebnisse konnte nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden. Um die Bedingungen beim Menschen realitätsnäher zu simulieren, entwickelten die Forscher daher ein menschenähnlicheres Modell.
Sie nutzten dazu ein Implantat, das aus 40 bis 200 Millionen Zellen (Herzmuskel- plus Bindegewebszellen) bestand und damit eine Größe hatte, wie es auch beim Menschen benötigt wurde. Dieses wurde Rhesus-Makaken mit einer Herzschwäche implantiert, da ihr Herz dem menschlichen Herzen sehr ähnlich ist.
Ziel war es zu prüfen, ob diese Zellen mit dem bestehenden Herzgewebe interagieren und sich in den Kreislauf integrieren können. Die Tiere, die zur Verhinderung der Implantat-Abstoßung des Implantats eine immunsuppressive Therapie erhielten, wurden dann über sechs Monate beobachtet.
Mit der "Reprogrammierung", einem speziellen molekularbiologischen Verfahren, lassen sich im Labor aus Blutstammzellen spezialsisierte Herzmuskelzellen herstellen.
Herzmuskel- und Bindegewebszellen werden mit dem Eiweißstoff Kollagen vermischt und in sechseckige Formen gegossen.
Das Herzpflaster ist bis zu vier Millimeter dick und enthält rund 800 Millionen Herzmuskel- und Bindegewebszellen. Die neuen Herzmuskelzellen sollen die Pumparbeit des Herzens unterstützen, die Bindegewebszellen bilden ein Stützgerüst.
Während eines herzchirurgischen Eingriffs wird das Pflaster auf das Herz aufgebracht.
Ermutigende Ergebnisse
Die Ergebnisse der Herzpflasteranwendung, die in der Veröffentlichung dargestellt wurden, sind ermutigend. Sie zeigen, dass die transplantierten Zellen tatsächlich mit dem Herzmuskel verwachsen und teilweise dessen Funktion übernehmen können. Kurz zusammengefasst:
- Durch das Implantat konnte die Kraft des geschwächten Herzen lokal an der Stelle des Implantats, aber auch insgesamt gesteigert werden.
- Die übertragenen Zellen blieben über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erhalten und wurden auch durchblutet.
- Bildgebende Verfahren und Gewebeanalysen bestätigten, dass die implantierten Herzmuskelzellen erhalten blieben.
- Bösartige Arrhythmien oder Tumorneubildungen traten nicht auf.
Der nächste Schritt: Klinische Studie mit Herzschwäche-Patienten
Die Studienautoren werten diese vorklinischen Ergebnisse als Meilenstein. Auch ein erster Fallbericht zur Anwendung bei einer Patientin zeigte der Veröffentlichung zufolge positive Effekte dieser Behandlungsform. Diese Daten waren dann auch entscheidend für die bereits erfolgte Genehmigung der weltweit ersten klinischen Studie zur Reparatur des Herzens mit im Labor entwickelten Gewebeimplantaten bei Menschen mit fortgeschrittener Herzmuskelschwäche.
Aktuell haben 15 Patientinnen und Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz eine Behandlung mit einem Herzpflaster erhalten. Sicherheit und Funktion der Therapie werden aktuell beobachtet und ausgewertet. Nach Angaben des wissenschaftlichen Leiters der Herzpflaster-Studien, Prof. Wolfram-Hubertus-Zimmermann von der Universität Göttingen, werden erste Ergebnisse bis Ende des Jahres 2025 erwartet. Sie sollen zeigen, ob die Hoffnungen auf eine neue Therapieoption bei fortgeschrittener Herzschwäche berechtigt sind.
1) Engineered heart muscle allografts for heart repair in primates and humans. Nature (2025). DOI: 10.1038/s41586-024-08463-0
2) HERZ heute 4_2024 “Einfach nur Pflaster drüber?“, S. 32-33
Experte
Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen
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Autor
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
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