Der Gemeinsame Bundesauschuss, das höchste Gremium in der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, hat im Januar die Verordnungseinschränkungen für Lipidsenker gelockert. Damit wird die Verordnung von Arzneimitteln wie Statinen für Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst.
Was bedeutet der Beschluss für die Statin-Therapie?
Ärzte können diese lipidsenkenden Medikamente nun früher verschreiben – nämlich schon dann, wenn das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten zehn Jahren bei über zehn Prozent liegt. Bisher war das erst ab 20 Prozent möglich. Dieses Risiko können Ärzte mit speziellen Risikorechenmodellen ermitteln.
Von einem besonders hohen Risiko sind vor allem zwei Gruppen betroffen:
- Menschen mit Typ-1-Diabetes, bei denen bereits Eiweiß im Urin nachweisbar ist (Albuminurie)
- Menschen mit erblich bedingtem hohem Cholesterin (familiäre Hypercholesterinämie)
Bei Patienten, die in diese Gruppen fallen, ist daher nun eine generelle Verordnung auf Kassenrezept möglich. Ebenfalls neu ist, dass Lipidsenker wie die Statine bei Erkrankungen, die Herzrisiko verstärken, verordnet werden können, wenn das errechnete Ereignisrisiko sogar unter zehn 10 Prozent liegt. Dazu zählen Erkrankungen wie HIV, psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes. Hier entscheidet der Arzt individuell über die beste Behandlung.
Weiterhin können Statine natürlich auch - wie bisher - bei einer bereits bestehenden Gefäßerkrankung wie KHK oder der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) verordnet werden.
Wie lässt sich das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse errechnen?
Kardiologen verwenden zum Ermitteln des Risikos, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, überwiegend zwei verschiedene Rechnungssysteme (SCORES), die auch von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) im Jahr 2021 veröffentlicht wurden. So kann der Risikorechner SCORE2 (steht für „Systematic COronary Risk Evaluation“) eine Punktbewertung für Personen im Alter von 40 bis 69 Jahren erstellen. Darin fließen Alter, Geschlecht, Cholesterinwerte, Blutdruck und Rauchverhalten ein. Mit dem erweiterten SCORE2-OP (für „Older Persons“) lässt sich wiederum das Risiko für 70- bis 89-jährige errechnen.
Die Datengrundlage des SCORE2 basiert auf 45 europäischen Studien aus 13 Ländern mit über 670.000 Teilnehmenden. Der SCORE2 ist speziell für Personen gedacht, die bisher keine Herzerkrankung hatten.
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.
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